Online-Reporter Michael Benter befragt Alexander Laesicke, den Bürgermeister von Oranienburg
Wann beginnt Dein Arbeitstag und wann endet er?
Im Prinzip ist jeder Arbeitstag anders, aber zumeist bringe ich zuerst unsere beiden Kinder zur Schule. Dort klingelt um 7.20 Uhr die Glocke, danach gehe ich ins Büro. Abends kann es spät werden. Gestern gings bis 21.00 Uhr, wobei die Stadtverordneten zumeist bis 22.00 Uhr tagen. Es gibt auch ruhigere Zeiten, dann habe ich mehr Zeit für Familie.
Was sind Stadtverordnete?
Als Bürgermeister bin ich Chef der Verwaltung und Diener des Stadtparlaments. Dessen Parteien treffen wichtige Entscheidungen. Streiten wir miteinander, geht es darum, am Ende eine gute Lösung zu finden.
Wie viele Urlaubstage hast Du im Jahr und hast Du eine Vertretung?
Wie alle unsere Mitarbeiter habe ich 30 Urlaubstage – und nicht nur eine Vertretung, sondern eine ganze Reihenfolge von Vertretern. Alle haben ihre eigenen Verantwortungsbereiche – in jedem Fall gibt es immer einen Bürgermeister, selbst wenn mein Stellvertreter und ich nicht da sind!
Rufen Dich oft Menschen an: „Komm mal vorbei, ich möchte ein Gespräch mit Dir.“?
Na klar, Du zum Beispiel! Viele Menschen wollen mich persönlich sprechen. Manche haben Hemmungen, zu mir ins Schloss zu kommen, auch ich habe Ehrfurcht vor diesem tollen Haus. Deshalb mache ich Bürgersprechstunden an verschiedenen Orten in der Stadt.
Stimmt! Ich habe Dich am Bahnhof an deinem Infostand gesehen. Was machst Du da?
Dort wie anderswo komme ich mit den Menschen in Kontakt. Es ist mir wichtig, mit ihnen über ihre konkreten Wünsche und Sorgen zu sprechen.
Zum Beispiel gibt’s auf dem Bahnhofsvorplatz keinen Baum.
Bäume sind generell ein großes Thema! Zum einen stehen dort einige historische Häuser, die du aus Denkmalschutz-Gründen nicht verdecken darfst. Vor allem aber verlaufen dort unter der Erde jede Menge Wasser‑, Abwasser und Stromleitungen. Der Bahnhofsplatz ist der Knotenpunkt unserer Stadt, da ist es aus Platzgründen sehr schwer, einen Baum zu pflanzen. Auf dem Schlossplatz mussten leider auch Bäume gefällt werden. Hier können wir aber bald neue pflanzen.
Hast Du ein Dienst-Fahrrad? Wie kommst Du zur Arbeit?
Meist fahre ich mit meinem eigenen Fahrrad oder mit dem Auto. Wir haben Dienstautos, Fahrräder, sogar E‑Lastenfahrräder. Auf kürzeren Strecken komme ich in Oranienburg mit dem Fahrrad schneller zum Ziel als mit dem Auto. E‑Fahrräder benutze ich allerdings ungern. Ich sitze viel im Büro, da genieße ich es, mit eigener Muskelkraft ans Ziel zu kommen.
Bist Du oft in der Stadt unterwegs und kommst mit Leuten ins Gespräch?
In der Stadt bin ich jeden Tag unterwegs, aber Oranienburg ist sehr groß. Sehr oft sprechen mich auf der Straße Menschen an, häufig auch Kinder. Klar musst du in meinem Job damit rechnen, dass du mal hart kritisiert wirst, aber die allermeisten Oranienburger sind wirklich total nett. Zumindest von Angesicht zu Angesicht, in den sozialen Medien sieht das manchmal anders aus.
Ich weiß! Wie schaffst Du es, mit guter und schlechter Kritik klarzukommen, die auf Dich einstürmt?
Mit guter Kritik kommt wohl jeder von uns prima klar. Sagt mir jemand: „Oranienburg ist so schön geworden!“, macht das auch meinen Tag schön. Oft gilt jedoch: Schweigen bedeutet Zustimmung. Kritik kann hart, manchmal auch gemein und unfair sein, aber damit musst du klarkommen, wenn Du in der Öffentlichkeit stehst. Ich nehme Kritik ernst, wenn sie sachlich ist.
Wie bereitest Du Dich auf Veranstaltungen vor, auf die Du eingeladen wirst? Bist Du oft selbst der Veranstalter?
Viele Veranstaltungen wie Stadtfest, Stadtempfang und andere veranstalten wir selbst und laden die Oranienburger zur Geselligkeit ein. Wie wichtig das ist, wissen wir spätestens seit der Corona-Zeit. Die machte etwas mit den Menschen. Deshalb finde ich es sehr wichtig, Menschen zusammenzuführen.
Oft werde ich auch eingeladen und um ein Grußwort gebeten, zum Beispiel vom Landrat, wenn Orafol oder andere Unternehmen eine neue Halle eröffnen – oder wie neulich bei Euch in der Caritas-Werkstatt zum Johannesfest.
Hast Du nur im Schloss ein Büro? Kann ich Dein Büro mal kennenlernen?
Du kannst sehr gern vorbeikommen! Ich bekomme ganz viel Besuch, oft von Schulklassen oder Kita-Gruppen. Allerdings habe ich viele Termine. Spontan kanns also schwierig werden. Besser ist es, wir verabreden uns.
Apropos Büro: Zur Weihnachtszeit ist oben auf dem Schloss-Balkon eine Weihnachtsgans Auguste zu sehen. Ist dort Dein Büro und die Weihnachtsgans Dein Maskottchen?
Mein Büro liegt gleich daneben, die zwei Fenster direkt neben dem Balkon mit der Weihnachtsgans. Als Friedrich Wolf diese Geschichte schrieb, wohnte er übrigens in Lehnitz. Er beschreibt darin einen Laden in der Breiten Straße, und ich glaube, dass er damit unsere Breite Straße meint. Deshalb sehe ich die Weihnachtsgans als das Oranienburger Maskottchen, besonders in der Weihnachtszeit.
Wie hast Du die Caritas-Werkstatt kennengelernt? Was verbindet Dich mit uns?
Der Johannesberg kenne ich seit meiner Kindheit. Mit Freunden aus der katholischen Gemeinde und auch aus dem Johannesberg spielte ich bei Euch oft Fußball – hinten, wo jetzt die Caritas-Schule ist. Den Platz gibt es heute noch. Die Werkstatt habe ich durch Euch kennengelernt. Ihr habt mich schon oft eingeladen, und ich bin sehr gern bei Euch.
Kannst Du Dir vorstellen, in der Caritas-Werkstatt zu arbeiten, statt als Bürgermeister?
In ein paar Wochen muss ich mich zur Wahl stellen. Ich liebe meinen Job, werde kandidieren und hoffe, dass mich die Oranienburger wiederwählen. Das aber kannst du in einer Demokratie nicht vorhersehen, und das ist auch gut so! Wäre da einer für immer in so einer Position, steht die Gefahr, dass er ein Diktator wird. Werde ich abgewählt, muss ich mir also einen neuen Job suchen – traust du mir denn zu, dass ich bei euch arbeiten kann?
Natürlich!
Bei meinen Besuchen hier habe ich immer eine tolle Atmosphäre erlebt. Wie gesagt, ich liebe meinen Job, aber bei Euch würde ich gern arbeiten.
Was bedeutet Arbeit für Dich?
Ein großer Teil meiner Arbeit besteht aus Wertschätzung. Eine Kita oder Schule einzuweihen oder zu besuchen, fühlt sich gar nicht wie Arbeit an. Arbeit bedeutet in meinem Verständnis nicht nur, etwas zu produzieren, sondern vor allem: Immer wieder meine Kraft dafür zu geben, Oranienburg ein kleines Stückchen besser zu machen.
Auch bei euch geht es ja nicht nur darum, etwas in einer bestimmten Stückzahl zu produzieren. Unsere Stadt wäre ärmer ohne die Arbeit, die Ihr leistet. Es geht eben nicht nur um das greifbare Produkt, das am Ende des Arbeitsprozesses rauskommt, sondern auch immer ein Stück weit um die dabei gelebte Kultur.
Hast Du schon mal gesehen, wie voll der Bus zur Gedenkstätte Sachsenhausen besonders am Wochenende ist? Ich würde mir wünschen, dass er zumindest da öfter fährt. Kannst Du da was machen?
Perspektivisch bekommen wir immer mehr Busse, dennoch passiert immer wieder das, was Du gerade geschildert hast. Dieses Thema obliegt dem Landrat, aber ich verstehe seine Probleme. Der Bus ist nicht immer voll, aber Du hast Spitzenzeiten, in denen fahren gefühlt alle. Ideal wäre ein kleiner Bus, der sich bei Bedarf auffaltet und fünfmal so groß wird. Die erste Aufgabe des Busverkehrs lautet: Die Kinder müssen zur Schule kommen, und am Wochenende ist keine Schule. Dazu kommt, dass wir nicht genügend Busfahrer haben.
Landräte und Bürgermeistern setzen sich dafür ein, dass wir mehr Busse bekommen. Ich bin sehr stolz auf den Plus-Bus nach Bernau. Hier taten wir uns alle zusammen und gaben Geld, dass der Landkreis diesen Bus zum Laufen bringen konnte.
Warst Du bei der Eröffnung des Plus-Bus 825 nach Bernau mit an Bord?
Natürlich, und ich war sehr glücklich darüber! Schließlich war das Ganze die Idee von uns Bürgermeistern. Ich bin davon überzeugt, dass er bleibt, weil das Ganze funktioniert.
Hast Du als Bürgermeister mit WOBA, OWG und anderen Vermietern zu tun? Die Mieten sind auch in Oranienburg ganz schön teuer. Kannst Du da etwas ändern?
Ich setze mich dafür ein, denn das sollte ein Bürgermeister immer tun. Die WOBA ist unser Unternehmen, und ihre Mieten sind verhältnismäßig günstig. Nun wächst unsere Stadt seit etlichen Jahren stetig, immer mehr Berliner ziehen zu uns raus. Auf der Warteliste der WOBA stehen 1.300 Menschen, aber nur 400 Wohnungen werden jährlich frei. Wir müssen mehr Wohnungen bauen. Das tun wir auch, aber es reicht leider nicht aus. Obendrein brauchen wir mehr Plätze in Kitas, Grundschulen, mehr Strom, Busse, auch unser Klärwerk kommt an seine Grenzen. Wachstumsschmerzen nennt man das, und wir arbeiten daran, sie zu lindern.
Nimmst Du den Bürgermeister mit nach Hause, oder kannst Du daheim von Deiner Tätigkeit abschalten?
Komme ich nach Hause, ist das mein „Ruheraum“, in dem ich unseren Kindern und meiner Frau „gehöre“. Ich versuche, den Stress an der Haustür abzustreifen, was mir nicht immer gelingt. Manche Sorge erscheint so schwer, da grübelst du auch zu Hause weiter.
Das glaube ich Dir gern. Lieber Alex, ich danke Dir, dass Du Dir die Zeit genommen hast, meine Fragen zu beantworten.
Das hat mir großen Spaß gemacht, und ich komme gerne wieder.
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