Mus­kel­kraft, Weih­nachts­gans und Bus­se: Ein In­ter­view mit dem Bür­ger­meis­ter un­se­rer Stadt

24. Juli 2025 | Logbuch | 0 Kommentare

On­line-Re­por­ter Mi­cha­el Ben­ter be­fragt Alex­an­der Lae­si­cke, den Bür­ger­meis­ter von Oranienburg

Wann be­ginnt Dein Ar­beits­tag und wann en­det er?

Im Prin­zip ist je­der Ar­beits­tag an­ders, aber zu­meist brin­ge ich zu­erst un­se­re bei­den Kin­der zur Schu­le. Dort klin­gelt um 7.20 Uhr die Glo­cke, da­nach gehe ich ins Büro. Abends kann es spät wer­den. Ges­tern gings bis 21.00 Uhr, wo­bei die Stadt­ver­ord­ne­ten zu­meist bis 22.00 Uhr ta­gen. Es gibt auch ru­hi­ge­re Zei­ten, dann habe ich mehr Zeit für Familie.

Was sind Stadtverordnete?

Als Bür­ger­meis­ter bin ich Chef der Ver­wal­tung und Die­ner des Stadt­par­la­ments. Des­sen Par­tei­en tref­fen wich­ti­ge Ent­schei­dun­gen. Strei­ten wir mit­ein­an­der, geht es dar­um, am Ende eine gute Lö­sung zu finden.

Wie vie­le Ur­laubs­ta­ge hast Du im Jahr und hast Du eine Vertretung?

Wie alle un­se­re Mit­ar­bei­ter habe ich 30 Ur­laubs­ta­ge – und nicht nur eine Ver­tre­tung, son­dern eine gan­ze Rei­hen­fol­ge von Ver­tre­tern. Alle ha­ben ihre ei­ge­nen Ver­ant­wor­tungs­be­rei­che – in je­dem Fall gibt es im­mer ei­nen Bür­ger­meis­ter, selbst wenn mein Stell­ver­tre­ter und ich nicht da sind!

Ru­fen Dich oft Men­schen an: „Komm mal vor­bei, ich möch­te ein Ge­spräch mit Dir.“?

Na klar, Du zum Bei­spiel! Vie­le Men­schen wol­len mich per­sön­lich spre­chen. Man­che ha­ben Hem­mun­gen, zu mir ins Schloss zu kom­men, auch ich habe Ehr­furcht vor die­sem tol­len Haus. Des­halb ma­che ich Bür­ger­sprech­stun­den an ver­schie­de­nen Or­ten in der Stadt.

Stimmt! Ich habe Dich am Bahn­hof an dei­nem In­fo­stand ge­se­hen. Was machst Du da?

Dort wie an­ders­wo kom­me ich mit den Men­schen in Kon­takt. Es ist mir wich­tig, mit ih­nen über ihre kon­kre­ten Wün­sche und Sor­gen zu sprechen.

Zum Bei­spiel gibt’s auf dem Bahn­hofs­vor­platz kei­nen Baum.

Bäu­me sind ge­ne­rell ein gro­ßes The­ma! Zum ei­nen ste­hen dort ei­ni­ge his­to­ri­sche Häu­ser, die du aus Denk­mal­schutz-Grün­den nicht ver­de­cken darfst. Vor al­lem aber ver­lau­fen dort un­ter der Erde jede Men­ge Wasser‑, Ab­was­ser und Strom­lei­tun­gen. Der Bahn­hofs­platz ist der Kno­ten­punkt un­se­rer Stadt, da ist es aus Platz­grün­den sehr schwer, ei­nen Baum zu pflan­zen. Auf dem Schloss­platz muss­ten lei­der auch Bäu­me ge­fällt wer­den. Hier kön­nen wir aber bald neue pflanzen.

Hast Du ein Dienst-Fahr­rad? Wie kommst Du zur Arbeit?

Meist fah­re ich mit mei­nem ei­ge­nen Fahr­rad oder mit dem Auto. Wir ha­ben Dienst­au­tos, Fahr­rä­der, so­gar E‑Lastenfahrräder. Auf kür­ze­ren Stre­cken kom­me ich in Ora­ni­en­burg mit dem Fahr­rad schnel­ler zum Ziel als mit dem Auto. E‑Fahrräder be­nut­ze ich al­ler­dings un­gern. Ich sit­ze viel im Büro, da ge­nie­ße ich es, mit ei­ge­ner Mus­kel­kraft ans Ziel zu kommen.

Bist Du oft in der Stadt un­ter­wegs und kommst mit Leu­ten ins Gespräch?

In der Stadt bin ich je­den Tag un­ter­wegs, aber Ora­ni­en­burg ist sehr groß. Sehr oft spre­chen mich auf der Stra­ße Men­schen an, häu­fig auch Kin­der. Klar musst du in mei­nem Job da­mit rech­nen, dass du mal hart kri­ti­siert wirst, aber die al­ler­meis­ten Ora­ni­en­bur­ger sind wirk­lich to­tal nett. Zu­min­dest von An­ge­sicht zu An­ge­sicht, in den so­zia­len Me­di­en sieht das manch­mal an­ders aus.

Ich weiß! Wie schaffst Du es, mit gu­ter und schlech­ter Kri­tik klar­zu­kom­men, die auf Dich einstürmt?

Mit gu­ter Kri­tik kommt wohl je­der von uns pri­ma klar. Sagt mir je­mand: „Ora­ni­en­burg ist so schön ge­wor­den!“, macht das auch mei­nen Tag schön. Oft gilt je­doch: Schwei­gen be­deu­tet Zu­stim­mung. Kri­tik kann hart, manch­mal auch ge­mein und un­fair sein, aber da­mit musst du klar­kom­men, wenn Du in der Öf­fent­lich­keit stehst. Ich neh­me Kri­tik ernst, wenn sie sach­lich ist.

Wie be­rei­test Du Dich auf Ver­an­stal­tun­gen vor, auf die Du ein­ge­la­den wirst? Bist Du oft selbst der Veranstalter?

Vie­le Ver­an­stal­tun­gen wie Stadt­fest, Stadt­emp­fang und an­de­re ver­an­stal­ten wir selbst und la­den die Ora­ni­en­bur­ger zur Ge­sel­lig­keit ein. Wie wich­tig das ist, wis­sen wir spä­tes­tens seit der Co­ro­na-Zeit. Die mach­te et­was mit den Men­schen. Des­halb fin­de ich es sehr wich­tig, Men­schen zusammenzuführen.

Oft wer­de ich auch ein­ge­la­den und um ein Gruß­wort ge­be­ten, zum Bei­spiel vom Land­rat, wenn Ora­fol oder an­de­re Un­ter­neh­men eine neue Hal­le er­öff­nen – oder wie neu­lich bei Euch in der Ca­ri­tas-Werk­statt zum Johannesfest.

Hast Du nur im Schloss ein Büro? Kann ich Dein Büro mal kennenlernen?

Du kannst sehr gern vor­bei­kom­men! Ich be­kom­me ganz viel Be­such, oft von Schul­klas­sen oder Kita-Grup­pen. Al­ler­dings habe ich vie­le Ter­mi­ne. Spon­tan kanns also schwie­rig wer­den. Bes­ser ist es, wir ver­ab­re­den uns.

Apro­pos Büro: Zur Weih­nachts­zeit ist oben auf dem Schloss-Bal­kon eine Weih­nachts­gans Au­gus­te zu se­hen. Ist dort Dein Büro und die Weih­nachts­gans Dein Maskottchen?

Mein Büro liegt gleich da­ne­ben, die zwei Fens­ter di­rekt ne­ben dem Bal­kon mit der Weih­nachts­gans. Als Fried­rich Wolf die­se Ge­schich­te schrieb, wohn­te er üb­ri­gens in Lehnitz. Er be­schreibt dar­in ei­nen La­den in der Brei­ten Stra­ße, und ich glau­be, dass er da­mit un­se­re Brei­te Stra­ße meint. Des­halb sehe ich die Weih­nachts­gans als das Ora­ni­en­bur­ger Mas­kott­chen, be­son­ders in der Weihnachtszeit.

Wie hast Du die Ca­ri­tas-Werk­statt ken­nen­ge­lernt? Was ver­bin­det Dich mit uns?

Der Jo­han­nes­berg ken­ne ich seit mei­ner Kind­heit. Mit Freun­den aus der ka­tho­li­schen Ge­mein­de und auch aus dem Jo­han­nes­berg spiel­te ich bei Euch oft Fuß­ball – hin­ten, wo jetzt die Ca­ri­tas-Schu­le ist. Den Platz gibt es heu­te noch. Die Werk­statt habe ich durch Euch ken­nen­ge­lernt. Ihr habt mich schon oft ein­ge­la­den, und ich bin sehr gern bei Euch.

Kannst Du Dir vor­stel­len, in der Ca­ri­tas-Werk­statt zu ar­bei­ten, statt als Bürgermeister?

In ein paar Wo­chen muss ich mich zur Wahl stel­len. Ich lie­be mei­nen Job, wer­de kan­di­die­ren und hof­fe, dass mich die Ora­ni­en­bur­ger wie­der­wäh­len. Das aber kannst du in ei­ner De­mo­kra­tie nicht vor­her­se­hen, und das ist auch gut so! Wäre da ei­ner für im­mer in so ei­ner Po­si­ti­on, steht die Ge­fahr, dass er ein Dik­ta­tor wird. Wer­de ich ab­ge­wählt, muss ich mir also ei­nen neu­en Job su­chen – traust du mir denn zu, dass ich bei euch ar­bei­ten kann?

Na­tür­lich!

Bei mei­nen Be­su­chen hier habe ich im­mer eine tol­le At­mo­sphä­re er­lebt. Wie ge­sagt, ich lie­be mei­nen Job, aber bei Euch wür­de ich gern arbeiten.

Was be­deu­tet Ar­beit für Dich?

Ein gro­ßer Teil mei­ner Ar­beit be­steht aus Wert­schät­zung. Eine Kita oder Schu­le ein­zu­wei­hen oder zu be­su­chen, fühlt sich gar nicht wie Ar­beit an. Ar­beit be­deu­tet in mei­nem Ver­ständ­nis nicht nur, et­was zu pro­du­zie­ren, son­dern vor al­lem: Im­mer wie­der mei­ne Kraft da­für zu ge­ben, Ora­ni­en­burg ein klei­nes Stück­chen bes­ser zu machen.

Auch bei euch geht es ja nicht nur dar­um, et­was in ei­ner be­stimm­ten Stück­zahl zu pro­du­zie­ren. Un­se­re Stadt wäre är­mer ohne die Ar­beit, die Ihr leis­tet. Es geht eben nicht nur um das greif­ba­re Pro­dukt, das am Ende des Ar­beits­pro­zes­ses raus­kommt, son­dern auch im­mer ein Stück weit um die da­bei ge­leb­te Kultur.

Hast Du schon mal ge­se­hen, wie voll der Bus zur Ge­denk­stät­te Sach­sen­hau­sen be­son­ders am Wo­chen­en­de ist? Ich wür­de mir wün­schen, dass er zu­min­dest da öf­ter fährt. Kannst Du da was machen?

Per­spek­ti­visch be­kom­men wir im­mer mehr Bus­se, den­noch pas­siert im­mer wie­der das, was Du ge­ra­de ge­schil­dert hast. Die­ses The­ma ob­liegt dem Land­rat, aber ich ver­ste­he sei­ne Pro­ble­me. Der Bus ist nicht im­mer voll, aber Du hast Spit­zen­zei­ten, in de­nen fah­ren ge­fühlt alle. Ide­al wäre ein klei­ner Bus, der sich bei Be­darf auf­fal­tet und fünf­mal so groß wird. Die ers­te Auf­ga­be des Bus­ver­kehrs lau­tet: Die Kin­der müs­sen zur Schu­le kom­men, und am Wo­chen­en­de ist kei­ne Schu­le. Dazu kommt, dass wir nicht ge­nü­gend Bus­fah­rer haben.

Land­rä­te und Bür­ger­meis­tern set­zen sich da­für ein, dass wir mehr Bus­se be­kom­men. Ich bin sehr stolz auf den Plus-Bus nach Ber­nau. Hier ta­ten wir uns alle zu­sam­men und ga­ben Geld, dass der Land­kreis die­sen Bus zum Lau­fen brin­gen konnte.

Warst Du bei der Er­öff­nung des Plus-Bus 825 nach Ber­nau mit an Bord?

Na­tür­lich, und ich war sehr glück­lich dar­über! Schließ­lich war das Gan­ze die Idee von uns Bür­ger­meis­tern. Ich bin da­von über­zeugt, dass er bleibt, weil das Gan­ze funktioniert.

Hast Du als Bür­ger­meis­ter mit WOBA, OWG und an­de­ren Ver­mie­tern zu tun? Die Mie­ten sind auch in Ora­ni­en­burg ganz schön teu­er. Kannst Du da et­was ändern?

Ich set­ze mich da­für ein, denn das soll­te ein Bür­ger­meis­ter im­mer tun. Die WOBA ist un­ser Un­ter­neh­men, und ihre Mie­ten sind ver­hält­nis­mä­ßig güns­tig. Nun wächst un­se­re Stadt seit et­li­chen Jah­ren ste­tig, im­mer mehr Ber­li­ner zie­hen zu uns raus. Auf der War­te­lis­te der WOBA ste­hen 1.300 Men­schen, aber nur 400 Woh­nun­gen wer­den jähr­lich frei. Wir müs­sen mehr Woh­nun­gen bau­en. Das tun wir auch, aber es reicht lei­der nicht aus. Oben­drein brau­chen wir mehr Plät­ze in Ki­tas, Grund­schu­len, mehr Strom, Bus­se, auch un­ser Klär­werk kommt an sei­ne Gren­zen. Wachs­tums­schmer­zen nennt man das, und wir ar­bei­ten dar­an, sie zu lindern.

Nimmst Du den Bür­ger­meis­ter mit nach Hau­se, oder kannst Du da­heim von Dei­ner Tä­tig­keit abschalten?

Kom­me ich nach Hau­se, ist das mein „Ru­he­raum“, in dem ich un­se­ren Kin­dern und mei­ner Frau „ge­hö­re“. Ich ver­su­che, den Stress an der Haus­tür ab­zu­strei­fen, was mir nicht im­mer ge­lingt. Man­che Sor­ge er­scheint so schwer, da grü­belst du auch zu Hau­se weiter.

Das glau­be ich Dir gern. Lie­ber Alex, ich dan­ke Dir, dass Du Dir die Zeit ge­nom­men hast, mei­ne Fra­gen zu beantworten.

Das hat mir gro­ßen Spaß ge­macht, und ich kom­me ger­ne wieder.

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