Stroh – ein wert­vol­les Na­tur­ma­te­ri­al nicht nur für Imker

Stroh – ein wert­vol­les Na­tur­ma­te­ri­al nicht nur für Imker

Stroh – ein wert­vol­les Na­tur­ma­te­ri­al nicht nur für Imker

Von Ly­dia Wa­nia-Dre­her | Bie­ne-Mensch-Na­tur Nr. 39

Jahr­hun­der­te­lang war Stroh für die Men­schen ein wich­ti­ger Roh­stoff. Er mach­te das Le­ben hei­me­lig. Man bet­te­te sich und sein Vieh dar­auf, dämm­te das Haus da­mit. Ab Mit­te des 20. Jahr­hun­derts ging die­se Wert­schät­zung der gel­ben Hal­me wei­test­ge­hend ver­lo­ren. Statt­des­sen hiel­ten Sty­ro­por und Schaum­stoff Ein­zug in den All­tag. Stroh wur­de im­mer mehr zum we­nig nütz­li­chen Ne­ben­pro­dukt der Nah­rungs­ge­win­nung. Die Fol­ge: Man züch­te­te es so weit wie mög­lich zurück.

Erst seit ein paar Jah­ren er­fährt der Na­tur­stoff eine Re­nais­sance. Man be­sinnt sich auf die gu­ten Ei­gen­schaf­ten des Ma­te­ri­als zu­rück – ver­sucht weg zu kom­men von erd­öl­ba­sie­ren­den und da­mit end­li­chen Rohstoffen.

Stroh als Bienenwohnung
In der Im­ke­rei hat Stroh eine jahr­hun­der­te­lan­ge Tra­di­ti­on. Die ty­pi­sche Form des run­den Stroh­bi­e­nen­korbs aus der Hei­de­im­ke­rei gilt bis heu­te als Sym­bol für Qua­li­täts­ho­nig schlecht­hin und fin­det sich auf vie­len Eti­ket­ten wie­der. Und das, ob­wohl die al­ler­meis­ten Bie­nen heu­te in vier­ecki­gen Käs­ten ge­hal­ten wer­den. Die Kom­bi­na­ti­on aus dem war­men Na­tur­ma­te­ri­al und der run­den Form – die an die na­tür­li­che Bie­nen­trau­be am Ast er­in­nert – scheint mar­ke­ting­tech­nisch gut an­zu­kom­men. Bei Mel­li­fera e. V. set­zen wir schon im­mer auf Stroh. So wa­ren die ers­ten Bie­nen­be­hau­sun­gen, die vor rund 35 Jah­ren an die Fi­scher­müh­le ka­men, Schwä­bi­sche La­ger­beu­ten. Sie sind wie ein klei­nes Fach­werk­haus mit Lehm und Stroh ge­dämmt und bie­ten noch heu­te ei­nem Teil der Bie­nen an un­se­rem Bie­nen­schau­gar­ten Lagd ein Zu­hau­se. Aber auch bei an­de­ren Völ­kern von uns ist Stroh in Form von Schie­den zur Raum­an­pas­sung und da­mit zur Re­ge­lung des Klein­kli­mas im Ein­satz. Im Ge­gen­satz zu vie­len kon­ven­tio­nel­len Im­ke­rei­en ver­wen­den wir dazu nur na­tür­li­che Ma­te­ria­li­en wie Stroh und Holz. Un­se­re Bie­nen müs­sen nicht mit Sty­ro­por­wand und Alu-Re­fle­xi­ons­fo­lie leben.

Ein be­son­de­rer Roggen
Doch nicht je­des Stroh eig­net sich für den Ein­satz in der Bie­nen­beu­te. Es soll­te be­son­ders lang­stie­lig und frei von Schad­stof­fen sein. Mel­li­fera e. V. ar­bei­tet da­her mit aus­ge­wähl­ten Her­stel­lern zu­sam­men. So etwa mit der Ca­ri­tas-Werk­statt St. Jo­han­nes­berg aus Ora­ni­en­burg. De­ren Grup­pen­lei­ter für die Holz­ver­ar­bei­tung, An­dre­as Pac­zoch, weiß ge­nau, wo­her „sein“ Stroh kommt. Seit zwei Jah­ren ern­ten die Mit­ar­bei­ter der Ein­rich­tung und er den Rog­gen selbst.

Das ge­schieht zum ei­nen in Ab­spra­che mit dem Ge­denk­stät­ten­ver­ein auf ei­nem Feld an der Ka­pel­le der Ver­söh­nung in der Ber­nau­er Stra­ße – auf dem eins­ti­gen To­des­strei­fen der Ber­li­ner Mau­er. Dort wo frü­her ge­schos­sen wur­de, wächst nun Jahr für Jahr neu­es Le­ben. In die­sem Jahr fand dort die Rog­gen­ern­te am 23. Juli bei son­ni­gem, aber nicht zu hei­ßen Wet­ter statt. Zwei Män­ner mäh­ten den Rog­gen auf tra­di­tio­nel­le Art und Wei­se mit der Sen­se ab, die an­de­ren Mit­ar­bei­ter hal­fen beim Sor­tie­ren und Ver­la­den. Die Ern­te war eine gro­ße Freu­de für alle Be­tei­lig­ten. „Das ist wie ein klei­ner Aus­flug für uns“, er­zählt An­dre­as Paczoch.

Die Wei­ter­ver­ar­bei­tung
Zur Her­stel­lung des Schieds braucht man na­tür­lich nur das Stroh, die Äh­ren wer­den sorg­fäl­tig ab­ge­trennt. „Die Mit­ar­bei­ter der Ge­denk­stät­te ver­kau­fen das Korn oder ba­cken Brot dar­aus“, weiß An­dre­as Pac­zoch. Der Er­lös geht an die Or­ga­ni­sa­ti­on „Brot für die Welt“. Ein Teil des Korns kommt in das so­ge­nann­te Frie­dens­brot, das sich aus Mehl aus zwölf Län­dern zu­sam­men­setzt, und so schö­nes Sym­bol für den eu­ro­päi­schen Frie­den ist.

Zum an­de­ren ern­ten die Mit­ar­bei­ter der Ca­ri­tas-Werk­statt St. Jo­han­nes­berg den Rog­gen bei ei­nem Bio Bau­ern im Lö­wen­ber­ger Land, der sol­che spe­zi­el­len Ge­trei­de­sor­ten an­baut. „Dort stand der Rog­gen in die­sem Jahr sehr dicht. Er war 1,60 bis 1,80 Me­ter hoch“, er­zählt An­dre­as Paczoch.

Mit den Hal­men müs­sen die Mit­ar­bei­ter sehr vor­sich­tig um­ge­hen, denn sie dür­fen nicht bre­chen. Klei­ne­re Stü­cke als 80 Zen­ti­me­ter kön­nen nicht ver­ar­bei­tet wer­den. Ins­ge­samt ka­men so drei gro­ße An­hän­ger vol­ler Rog­gen­stroh zu­sam­men. Zur­zeit wird das Stroh Halm für Halm von Hand ge­putzt und ge­bün­delt, um es wei­ter ver­ar­bei­ten zu kön­nen. „Das ist auch eine the­ra­peu­ti­sche Ar­beit – gleich­mä­ßig, ru­hig und mit gut rie­chen­dem, war­mem Stroh“, er­klärt An­dre­as Paczoch.