Familie mit Kleinkind in Not
Die Böttchers müssen aus ihrer Wohnung raus – eine neue gibt es noch nicht
Oranienburg. Yvonne und Jörg Böttcher läuft die Zeit davon. Noch 13 Tage, dann müssen sie ihre Wohnung im Familienhaus in Oranienburg verlassen. Das Problem: Sie haben keine neue Wohnung. Es könnte ein familiäres Desaster werden, zumal da auch noch ihr 15 Monate alter Sohn Paul Jaden Maik ist. In den vergangenen Monaten hat sich das Ehepaar 30 Wohnungen angesehen, erhielt aber keine. Die letzte Absage kam am 1. November von der Woba Oranienburg mit der Begründung, “dass wir aufgrund negativer Bonitätsauskünfte an Sie keine Vermietung vornehmen werden”. Yvonne Böttcher sagt, dass sie sich sogar bei der Obdachlosenstelle erkundigt hätten, ob die Familie dort aufgenommen werden könne. “Das ist nicht gewünscht.” Offensichtlich bleiben für das Paar laut eigenen Aussagen zwei Möglichkeiten, wenn es bis zum Ende des Monats nicht eine Wohnung findet. Erstens: Yvonne und Paul Jaden Maik kommen in einer Mutter-Kind-Einrichtung unter, Jörg wird obdachlos. Zweitens: “Sie nehmen uns Paul weg”, sagt die Mutti mit Tränen in den Augen.
Für Christoph Lau, dem Leiter der Caritas-Werkstatt St. Johannesburg in Oranienburg, ist das nicht der erste gleichgelagerte Fall. Es sei ganz normal, dass Beschäftigte der Caritas – es sind Mitarbeiter mit Beeinträchtigungen – irgendwann versuchen, bei den Eltern oder dem betreuten Wohnen auszuziehen, um auf eigenen Füßen zu stehen. So, wie die Böttchers. Sie signalisierten Christiani e. V., dem Träger des Familienhauses, im April, dass sie ihr Familienleben selbst gestalten wollen. In einer eigenen Wohnung. Die Kündigung wurde zum 30. November ausgesprochen. “Aber es fehlt an bezahlbarem Wohnraum in Oranienburg und Umgebung, also in unserem Einzugsgebiet”, so Christoph Lau. Problematisch für ihn: “Die Beschäftigten suchen sich außerhalb unseres Einzugsgebietes eine Wohnung, müssen ihr soziales Umfeld und den Arbeitsplatz bei uns aufgeben.“ Er spricht von einer Handvoll Fälle in den vergangenen Jahren bei der Caritas.
Das Ehepaar Böttcher sei seit ein paar Wochen sehr gut bei der Caritas integriert. Die 40-jährige Yvonne arbeitet am Heidering in der Produktion, in der Abteilung für Mitarbeiter mit psychischen Beeinträchtigungen. Armbänder oder Geburtstagskarten stellen sie dort her. Der 50-jährige Jörg gehört als Beikoch zum Küchenteam, das täglich 700 Portionen kocht. “Ich bekomme immer mehr Verantwortung”, sagt er stolz. Küchenleiterin Andrea Bloch: “Er ist eine Bereicherung, bringt viel mit, zeigt den anderen was. Für uns wäre es ein Verlust, wenn er nicht mehr komme würde.”
Christoph Lau ist verwundert über die Absage der Woba. “Die Miete wird vom Amt bezahlt, kommt regelmäßig.” Deshalb könne er die fehlende Bonität als Begründung nicht nachvollziehen. Bernd Jarczewski, Geschäftsführer der Woba Oranienburg: “Prinzipiell ist es nicht so, dass potenzielle Mieter mit einem Schufa-Eintrag keine Wohnung bekommen. Aber man muss wissen, dass es kein Selbstläufer ist, dass das Geld bei uns ankommt, wenn es vom Amt bezahlt wird.” Er spricht aus Erfahrung. Constanze Gatzke, Pressesprecherin des Landkreises, ergänzt: “Das Jobcenter ist angehalten, das Arbeitslosengeld II für Unterkunft und Heizung direkt an den Vermieter zu überweisen, wenn es zum Beispiel Miet- oder Energiekostenrückstände gibt.” Aber: In den anderen Fällen können die Leistungsempfänger selbst entscheiden, ob das Jobcenter oder sie die Überweisung an den Vermieter vornehmen.
“Wir sollen als städtische Gesellschaft sozial bleiben. Das können wir, wenn wir Geld einnehmen. Wir haben Verantwortung fürs öffentliche Eigentum.” Bernd Jarczewski betont, dass die Woba auch Randgruppen unter seinen Mietern hat. Aber er sieht den zusätzlichen Bedarf an Wohnungen für Zielgruppen wie Familie Böttcher. “Da müsste man politisch dran arbeiten.”
Christoph Lau hätte zumindest einen Vorschlag zu machen: “Warum nicht zum Beispiel das Kasernengelände in Lehnitz nutzen? Da ist Platz.” Er hat bei der Caritas schon einige Schicksale dieser Art miterlebt. “Aber dass eine Familie so in Not gerät, hatten wir noch nicht.” Die Böttchers, die in Oranienburg ihr soziales Umfeld gefunden haben, wissen nicht mehr ein und aus. Ihre größte Angst ist, dass ihre Familie zerrissen wird.