Be­hin­der­te spra­chen für sich selbst

14. Nov 2015 | Pres­se, Pres­se 2015 | 0 Kom­men­ta­re

An­drea Ka­thert | Mär­ki­sche All­ge­mei­ne Zeitung

De­bat­te in der Ca­ri­tas-Ein­rich­tung St. Jo­han­nes­berg zum The­ma In­klu­si­on in Oranienburg

ORANIENBURG | „Was wür­den Sie tun, wenn Sie ei­nen Tag Po­li­ti­ker wä­ren?“ So lau­te­te die Er­öff­nungs­fra­ge bei der Dis­kus­si­ons­run­de in der Ca­ri­tas Ein­rich­tung St. Jo­han­nes­berg am Don­ners­tag­abend. Mo­de­ra­tor Ro­bert Ties­ler, sei­nes Zei­chens Au­tor, Jour­na­list und Mit­ar­bei­ter der MAZ, mo­de­rier­te die Ver­an­stal­tung, zu der SPD-Land­tags­ab­ge­ord­ne­ter Björn Lütt­mann ein­ge­la­den hatte.

Die Be­woh­ner und Werk­statt­be­schäf­tig­ten des St.Johannesberges, der Nord­bahn gGmbH udn der Le­bens­hil­fe Ober­ha­vel-Süd lie­ßen sich ich lan­ge bit­ten. Sie hat­ten sich bes­tens vor­be­rei­tet und viel zu sa­gen zum The­ma Be­hin­der­te in Oranienburg.

Wür­de Björn Lütt­mann wirk­lich mal für ei­nen Tag sei­nen Ses­sel im Land­tag räu­men, dann wür­den die Be­woh­ner ei­ni­ges in der Stadt än­dern. Dann wäre Schluss mit dem Be­am­ten­deutsch und den kom­pli­zier­ten An­trä­gen, die nie­mand ver­steht. Al­les müss­te in ei­ner ein­fa­chen Spra­che for­mu­liert sein. Dann gäbe es kei­ne ho­hen Bord­stei­ne mehr in der Stadt und Bus­se, die so voll sind, dass geh­be­hin­der­te Men­schen erst gar nicht mehr mit rein­kom­men. Dann wür­de es eine ge­rech­te­re Be­zah­lung für die Ar­beit in den Werk­stät­ten ge­ben. Dann wür­de es mehr Woh­nun­gen in Ora­ni­en­burg ge­ben, in de­nen auch Be­hin­der­te le­ben kön­nen. Es gäbe mehr Park­plät­ze in der Stadt. Und die Dreh­kreu­ze in den Su­per­märk­ten wür­den ver­schwin­den. Auf den Bahn­hö­fen, be­son­ders in Lehnitz, wür­den die Auf­zü­ge stän­dig funk­tio­nie­ren. Der Bus der Li­nie 804 wür­de im 20-Mi­nu­ten-Takt fah­ren, die Geh­we­ge wä­ren im­mer ge­streut, und auf Pla­ka­ten und Aus­hän­gen gäbe es kei­ne klei­ne Schrift mehr.

Wie man merkt, hat­ten die Be­hin­der­ten ein gan­zes Pa­ket von An­re­gun­gen ge­schnürt, die sie mit Björn Lütt­mann, mit Hol­ger Dre­her, dem Be­hin­der­ten­be­auf­trag­ten der Stadt, mit Uta Ger­ber, Ge­schäfts­füh­re­rin der Le­bens­hil­fe und mit Chris­toph Lau, dem Lei­ter der Ca­ri­tas Werk­stät­ten, dis­ku­tier­ten. Ein The­ma je­doch lös­te bei al­len Be­trof­fen­heit aus. Ire­na Saen­ger aus dem St.?Johannesberg wünsch­te sich, „dass Men­schen mit Be­hin­de­rung we­ni­ger Ge­walt er­le­ben müs­sen.“ Co­rin­na Derasch, Vor­sit­zen­de des Werk­statt­ra­tes sag­te: „Ins­be­son­de­re bei se­xu­el­ler Ge­walt sind die Zah­len sehr hoch.“ Es gebe Stu­di­en, „die be­sa­gen, dass jede zwei­te Frau mit Be­hin­de­rung be­reits se­xu­el­le Grenz­ver­let­zun­gen oder Miss­brauchs­er­fah­run­gen ma­chen muss­te.“ Nicht sel­te­ner sei­en auch Män­ner da­von be­trof­fen. Auch ver­ba­le Ge­walt er­le­ben die Be­hin­der­ten häu­fig. „Du bist doch blöd, das kannst du so­wie­so nicht“, sind Sät­ze, die sie öf­ter hören.

Wir wis­sen, dass so et­was vor­kommt“, sag­te Uta Ger­ber. „Wir ste­hen be­reit, um Sie zu un­ter­stüt­zen. Kom­men Sie zu uns, zu ih­ren Be­treu­ern, weh­ren Sie sich.“

Hol­ger Dre­her konn­te ver­kün­den, dass in der Stadt­ver­wal­tung ge­ra­de dar­an ge­ar­bei­tet wird, das The­ma leich­te Spra­che um­zu­set­zen und Be­hör­den­brie­fe an­ders zu for­mu­lie­ren. Dre­her reg­te auch an, den Dis­coun­tern Auf­la­gen zu er­tei­len, um die Dreh­kreu­ze ab­zu­schaf­fen. Zum The­ma Park­plät­ze ver­wies er dar­auf, dass Be­hin­der­te mit ei­ner Son­der­ge­neh­mi­gung über­all kos­ten­los par­ken können.

Björn Lütt­mann, der sich über die Mit­ar­beit der Be­woh­ner sehr freu­te, wird The­men wie Ge­sprä­che mit der Bahn, Woh­nungs­bau und an­de­re An­re­gun­gen mit nach Pots­dam neh­men. Er reg­te auch an, der­ar­ti­ge Ver­an­stal­tun­gen öf­ter durchzuführen.