Werkstätten dürfen keine Einbahnstraße sein
Werkstätten dürfen keine Einbahnstraße sein
Auf dem “Campus Q” werden Gehandicapte jetzt auch für Jobs auf dem ersten Arbeitsmarkt vorbereitet – 400 Mitarbeiter feierten gestern das Sommerfest der Caritas im St. Johannesberg
Oranienburg. Katrin Dewitz aus Neulöwenberg fertig an jedem Arbeitstag Laborröhrchen für das Unternehmen Thermo Fisher in Hennigsdorf. Und der Hennigsdorfer Thomas Stolz nimmt Anlasser und Autolichtmaschinen für die Firma Friesen in Oranienburg auseinander. Gestern aber nicht. Gestern feierten die rund 400 Mitarbeiter der Behindertenwerkstätten der Caritas an den drei Standorten St. Johannesberg Berliner Straße, Factor C im Gewerbepark Am Heidering und im Aderluch ihr jährliches Sommertest, das Interessierte zugleich zum Tag der offenen Tür einlud. Und sie spielten voller Inbrunst in der Trommelgruppe, die wahrlich nicht zu überhören war. Eva-Maria Göbel, die die begleitenden Angebote in den Behindertenwerkstätten macht, hatte die Samba-Trommelgruppe für den Festumzug zur 800-Jahrfeier gegründet. Seitdem wird sie immer wieder zu neuen Gelegenheiten, wie dem Sommertest, zusammengestellt. Zehn Frauen und Männer hatten Lust darauf, mal so richtig auf die Pauke zu hauen: “Sie lieben das Kraftvolle daran, dass sie sich mal richtig auslassen können, aber auch das Gemeinschaftsgefühl beim Spiel und das tolle Feedback von den Zuhörern”, so Eva-Maria Göbel, die unter anderem auch einen Werkstattchor und eine Instrumentalgruppe leitet. Die Trommler begleiteten gestern vor allem lautstark die Auszeichnung der Mitarbeiter, die zehn, 15, 20 oder 25 Jahre in den Werkstätten arbeiten. Voller Stolz standen sie auf der Bühne und im Konfettiregen.
Von Beginn an ist Orafol der größte Auftraggeber der Werkstätten. Seit 26 Jahren. Die Frauen und Männer stellen Farbfächer und Farbkarten und “inzwischen die kompletten Werbemittel für Orafol her”. Und das in bester Qualität. Beim jüngsten Qualitätscheck wurde das Unternehmen Behindertenwerkstatt als “A‑Lieferant” eingestuft, berichtet Werkstattleiter Christoph Lau nicht ohne Stolz. 60 Beschäftigte arbeiten allein im Auftrag des Folienherstellers.
Inzwischen aber auch für Takeda, die Oranienburger Edeka Märkte, als Assistenten in Pflegeeinrichtungen und Kitas. Das ist Aufgabe des neu entstandenen “Campus Q”, erklärt Christoph Lau. Mancher brauche die Arbeit und die Sicherheit der Behindertenwerkstatt eine Leben lang, aber nicht jeder. “Wir wollen künftig die Beschäftigten nicht nur für die Werkstatt qualifizieren, sondern auch für Anforderungen des ersten Arbeitsmarktes. Für die Mutigen und Leistungsfähigeren, die die Werkstatt nur als Sprungbrett nehmen. Die Werkstatt darf keine Einbahnstraße sein.” Sie erfahren in der Werkstatt die praktische und durch eine neu eingestellte Lehrerin die theoretische Ausbildung. “So nah wie möglich an der klassischen, dualen Ausbildung”, so Lau. Job-Coach Alexander Pläp sucht solche Job-Außenstellen für die Caritas. Für Ines Krüger haben sie sie schon gefunden. Sie sitzt seit Juli stundenweise an der Kasse des Edeka Marktes, Sachsenhausener Straße. Ein Job, den sie immer gern wollte.