Sorgen bei Caritas und Lebenshilfe
Von Klaus D. Grote | Oranienburger Generalanzeiger
Coronakrise Werkstätten müssen mit weniger Beschäftigten arbeiten. Die Einrichtung in der Lehnitzstraße schließt. Betreuer werden in Supermärkten bedroht, weil sie für Wohngruppen Großeinkäufe tätigen.
Die Einrichtungen für Menschen mit Behinderung stehen wegen der Coronapandemie vor einer riesigen Herausforderung. „Wir müssen unsere Freizeiteinrichtung schließen. Die Leute wissen nicht, wohin“, sagt Uta Gerber, Geschäftsführerin der Lebenshilfe Oberhavel Süd. Sie fürchten einen Koller, wenn die Menschen nichts mehr unternehmen könnten. Einige Betroffene würden die Situation nur schwer verstehen. Noch dazu fielen Fachkräfte aus, weil sie zu Hause ihre Kinder betreuen müssten. Uta Gerber befürchtet, dass die Situation noch viel dramatischer werden könnte, wenn die Menschen mit Behinderung nicht mehr in den Werkstätten der Nordbahn gGmbH arbeiten können und mehr Freizeit haben.
„Wir brauchen Unterstützungen für soziale Einrichtungen, auch nach der Krise.“
Micha Schaub, Geschäftsführer Nordbahn gGmbH
Derzeit sind die Werkstätten noch geöffnet. Es sei den Beschäftigten aber freigestellt, zu Hause zu bleiben, sagt Nordbahn-Geschäftsführer Micha Schaub. 35 Prozent der 400 Beschäftigten machten davon Gebrauch. Unter ihnen seien auch Menschen, die zu den Risikopersonen gehören. Sie würden auch in Absprache mit den Angehörigen zu Hause bleiben.
Die Produktion laufe weiter. In den Werkstätten wurden Desinfektionsspender aufgestellt. In der Kantine gibt es nur noch 35 statt 75 Plätze. Die Werkstätten würden einen Notfall- und Krisenplan vorbereiten für den Fall, dass die Produktion eingestellt werden muss, so Schaub. Die Beschäftigten könnten dann gegebenenfalls auch vor Ort betreut werden.
Sorgen macht sich der Werkstättenleiter aber um die finanzielle Zukunft seines Hauses. Werden die Kostensätze, mit denen das Land jeden einzelnen Beschäftigten der Werkstatt fördert, auch bei einer Schließung der Nordbahn weitergezahlt? „Das Durchhalten kann zu einem Kraftakt werden. Die Verbindlichkeiten laufen ja weiter“, sagt Schaub. Die Beschäftigten würden aber weiter ihr Geld erhalten, versichert er und fordert: „Wir brauchen Unterstützungen für soziale Einrichtungen, auch nach der Krise.“ Bisher sei das aber kaum thematisiert worden.
Systemrelevante Aufträge
In den Caritas-Werkstätten St. Johannesberg in Oranienburg ist die Lohnfortzahlung ebenfalls gesichert, sagt Werkstattleiter Christoph Lau. Auch bei der Caritas dürfen die Beschäftigten zu Hause bleiben. Ein Drittel von ihnen, etwa 100 Beschäftigte, sei aktuell noch in den Werkstätten tätig. Geöffnet bliebe auf jeden Fall, versichert Lau. „Wir haben Aufträge zu erfüllen.“ Zu den Kunden zählen große Firmen, darunter Schienenfahrzeughersteller und Orafol. Notfalls würden allein die hauptamtlichen Beschäftigten arbeiten. „Bei uns gibt es auch systemrelevante Bereiche“, erklärt Lau. Die Küche, „Cantina“, versorgt auch Kitas und eigene Einrichtungen mit Essen. In der Wäscherei wird unter anderem Häftlingskleidung der JVA Wulkow gereinigt. Auch die Caritas-Werkstätten planen eine Notfallbetreuung für ihre Beschäftigten.
Doch noch ein weiteres, völlig neues Problem ergibt sich durch die Coronapandemie. „Unsere Betreuer werden beim Einkaufen beschimpft und bedroht“, sagt Uta Gerber. Sogar Prügel wurden angedroht, weil den Betreuern unterstellt werde, dass sie Hamsterkäufe erledigen würden. Dabei kauften sie lediglich für die Wohngruppen der Villa Sonnenschein in Lehnitz mit 25 Bewohnern und der Roten Villa in Velten (24 Bewohner) ein. „Der Einkaufswagen ist dann immer sehr voll“, sagt Uta Gerber. Seit in den Medien von Hamsterkäufen berichtet wird, gibt es allerdings Probleme. Mehrfach gab es Bedrohungen durch andere Kunden bei Rewe in der Lehnitzstraße und im Lidl-Markt in der André-Pican-Straße sowie in Velten.
Die Lebenshilfe hat deshalb eine große Zeitungsanzeige geschaltet. „Bitte lassen Sie uns unsere Gruppeneinkäufe machen. Wir machen keine Hamsterkäufe. Wir müssen unsere betreuten Menschen versorgen“, ist darauf zu lesen. „Ich habe die Anzeige ausgedruckt und laminiert. Die kommt dann beim Einkaufen an den Wagen“, sagt Uta Gerber.
In Oranienburg und Schönfließ
Die Caritas-Werkstatt St. Johannesberg arbeitet an drei Standorten in Oranienburg. In der Cantina werden täglich 700 Portionen Essen gekocht und ausgeliefert.
Die Nordbahn-Werkstatt für Menschen mit Behinderung in Schönfließ. Hergestellt werden unter anderem Parkmöbel, Sondermaschinen und Druckerzeugnisse.