7. August 2024 | Logbuch |
Unter dem Titel “Ausbeutung in Behindertenwerkstätten” berichtete das ZDF in der Sendung frontal am 23.07.2024 über eine Werkstatt in Hessen. Im Film werden Urteile über die Zustände in Werkstätten für behinderte Menschen getroffen, die als allgemeingültig beschrieben werden. Im Namen der Caritas-Werkstatt antwortet Christoph Lau, Werkstattleiter und Vorstand der LAG WfbM Brandenburg, den beiden Redakteurinnen dieses Filmbeitrags:
Liebe Frau Odenthal, liebe Frau Randerath,
ich schreibe Ihnen als Leiter einer Werkstatt für behinderte Menschen der Caritas im Berliner Umland.
In Ihrem Beitrag für die Sendung “Frontal” am 23.07.2024 stellen Sie einzelne Werkstattbeschäftigte und ihren Unmut vor. Aber allein schon der Titel “Ausbeutung in Behindertenwerkstätten” soll dem Publikum die systematischen Missstände einer ganzen Branche vermitteln.
Sie erwecken den Eindruck, als wäre es die vordergründige Aufgabe von Werkstätten, die Vermittlung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu organisieren. Dies ist schon deshalb falsch, weil die volle Erwerbsminderung eine wesentliche Zugangsvoraussetzung zur Aufnahme in eine Werkstatt ist. Menschen sind in einer Werkstatt beschäftigt, gerade weil sie den Wettbewerbsbedingungen des Arbeitsmarktes aufgrund ihrer Behinderung nicht genügen können. Aus diesen Zugangsbedingungen erklärt sich, dass ein Großteil der Werkstattbeschäftigten dauerhaft auf Unterstützung angewiesen ist.
In Deutschland leben etwa drei Millionen Menschen im erwerbsfähigen Alter mit einer Schwerbehinderung, 270.000 von Ihnen sind in einer Werkstatt beschäftigt. Es lässt sich also nicht von den Menschen mit Behinderung sprechen, sondern von einem kleinen Teil, nämlich weniger als zehn Prozent von ihnen, die in einer Werkstatt beschäftigt sind. Diejenigen also, die es selbst im Vergleich zu den restlichen 90% der schwerbehinderten Menschen auf dem Arbeitsmarkt besonders schwer haben.
“Von der Schule in die Behindertenwerkstatt. So läuft es normalerweise für Menschen mit Beeinträchtigungen.” Wie unzutreffend Ihre Einschätzung ist, verdeutlicht schon dieses Zahlenverhältnis zwischen schwerbehinderten Menschen und Werkstattbeschäftigten.
Einen Alexander Schäfer, wie er in Ihrem Film zu sehen ist, werden Sie in den meisten Werkstätten für behinderte Menschen gar nicht antreffen. Wohl aber Menschen mit schweren, zumeist geistigen Beeinträchtigungen und mit einem hohen Bedarf an Betreuung, Unterstützung und nicht selten auch Pflege. Gleichwohl haben sie Anspruch auf berufliche Teilhabe, unabhängig vom materiellen Mehrwert ihrer Arbeitskraft – selbst wenn dieser, wie in ihrem Beitrag, nur bei 2,24 Euro pro Stunde liegt. Dies ist nicht zu kritisieren, sondern beschreibt die Zielgruppe von Werkstätten für behinderte Menschen. Die Teilhabeleistungen, die umfassende Assistenz, die individuelle Aufbereitung von Arbeitsschritten, die persönliche Wertschätzung und das wechselseitige Vertrauen machen den Alltag in einer Werkstatt aus und sind ein wichtiger Teil der Lebensqualität der hier beschäftigten Menschen.
Als Sozialarbeiter und Werkstattleiter bin ich überzeugt, dass auch Menschen mit einer Erwerbsminderung Anspruch haben auf berufliche Teilhabe – und zwar unabhängig vom materiellen Mehrwert ihrer Arbeitskraft. Werkstätten stehen außerhalb der Wettbewerbsbedingungen des Arbeitsmarktes. Genau das ist ihre Legitimation. Deshalb kann die Eigenlogik von Werkstätten keine rein betriebswirtschaftliche sein, die den Prinzipien von Effizienzsteigerung und Arbeitskraftverwertung verpflichtet wäre. Der gesetzliche Mindestlohn ist ein Produkt der Leistungsbedingungen des Arbeitsmarktes, die in einer Werkstatt aus guten Gründen nicht gelten können.
Werkstätten reduzieren nicht ihre “Belegschaft”, weil es die Auftragslage nahelegt, wir trennen uns nicht von sinnvollen aber weniger ertragreichen Aufträgen und auch nicht von Beschäftigten, die zum gewerblichen Gesamtergebnis vielleicht nur einen kleinen Beitrag leisten können. All das wäre mit Blick auf die gesellschaftliche Aufgabe von Werkstätten absurd – für eine wirtschaftliche Ertragssteigerung aber notwendig.
Deshalb wird eine Werkstattbeschäftigung nie unabhängig von weitergehenden Sozialleistungen zu sehen sein. Denn auch dass das Arbeitsentgelt aus der Werkstattbeschäftigung mit einer Vielzahl weiterer Ansprüche auf Sozialleistungen verbunden ist, hätte zur Wahrheit dazugehört.
Zählt man diese hinzu, sieht die Einkommenssituation von Werkstattbeschäftigten schon etwas anders aus. Man könnte immer noch sagen, dass dies zu wenig ist, so wie es für andere Bezieher von Sozialleistungen auch zu wenig ist. Werkstätten sind nur als Sozialleistung zu verstehen, als Ergänzung zum Arbeitsmarkt – nicht aber als Teil des Arbeitsmarktes mit Tarifparteien und Mindestlohn.
Die Werkstätten sind nicht perfekt, sie sind Teil der realen Welt. Sicherlich lassen sich in den Werkstätten Menschen mit frustrierende Erfahrungen finden. Diese sollen und müssen zu Wort kommen, gerade auch in reichweitenstarken Sendungen wie “Frontal”. Aber wie absichtsvoll Sie alle Gegenmeinungen und ‑argumente unterschlagen, wirkt an der öffentlichen Geringschätzung von Werkstätten mit, die nicht nur die Institution trifft, sondern auch die Menschen mit Behinderung, die in ihnen beschäftigt sind.
Mit freundlichen Grüßen von
Christoph Lau.
5. August 2024 | Logbuch |
Dieser dekorative Blickfang steht neuerdings im Foyer der Fa. enretec GmbH, ein Entsorgungsfachbetrieb für medizinische Abfälle in Velten. Das großformatige Firmenlogo wurde in unserem Arbeitsbereich Holzverarbeitung konzipiert und gefertigt – und von den beteiligten Beschäftigten persönlich ausgeliert.
2. August 2024 | Logbuch |
Online-Reporter Erik Egler berichtet von seinem nicht ganz alltäglichen Hobby:
Seit 8 Jahren interessiere ich mich für Insekten und Spinnen. In der Werkstatt arbeite ich am Aderluch in der Küche. Besonders zahlreich zeigen sich hier jeden Sommer die Fliegen. Gerade sind sie dabei, unsere Küche zu „übernehmen“. Mich selbst stören sie nur, wenn sie auf meinem Kopf landen. Aufgrund ihrer Facettenaugen guckt dich eine Fliege immer an. Das ist interessant, aber zugleich sehr seltsam.
Einmal hörte ich eine Kollegin laut schreien. Ich ging zu ihr und sah: Ganz in ihrer Nähe krabbelte eine Spinne auf dem Deckel des Plastik-Mülleimers herum. Sie hatte die perfekte Größe, dass ich sie mit einem Glas sowie einem Blatt Papier einfangen konnte. Anschließend schaffte ich sie hinaus und ließ sie an der Hecke wieder frei. Ich las schon viele Bücher zum Thema – den Trick mit dem Glas kenne ich aber von meinen Eltern.
Was ich absolut nicht empfehlen kann, ist es, auf eine Spinne draufzuhauen. Damit tötet man zwar diese eine, hat aber mitunter statt ihrer viele kleine Spinnen auf dem Boden herumzukrabbeln. Springspinnen zum Beispiel tragen ihre Kinder auf dem Rücken.
Eine Kollegin sagte beim Anblick einer Spinne ganz ruhig: „Die kenne ich schon.“ Besagtes Tier hatte glaube ich bereits einen Namen.
Ich weiß nicht genau, was mich an diesen Tieren so interessiert. Entdecke ich eine, gucke ich, ob ich diese Art schon kenne, nehme Handfeger beziehungsweise Glas und Papier – und geleite sie hinaus. Sehr große Exemplare werden von Laien gern für eine Vogelspinne gehalten. Als eine solche mal bei uns auftauchte, handelte es sich jedoch um eine heimische Art, die ihre Körpergröße wohl aufgrund der vielen Nahrung erlangt hatte. Apropos, was essen Spinnen am liebsten? Ihre Leibspeise sind die uns besonders im Sommer so störenden Fliegen.
1. August 2024 | Logbuch |
Martina Harnischmacher und Kristin Jung haben einen neuen Begleiter im Arbeitsalltag:
Wir sind seit einigen Wochen mit einem neuen Shuttle für die Caritas-Werkstatt unterwegs. Ganz leise und umweltfreundlich ist er. Er ist nun mal ein E–Auto.
Auf jeder Seite gibt es eine Schiebetür zum aus- und einsteigen. Das Öffnen und Schließen der Türen wird über das Cockpit mit einem Knopfdruck aktiviert. Weil unser Neuer so leise ist, schalten wir das Radio ein, um zu wissen, ob er überhaupt an ist. Durch das Panoramadach kann man den Himmel sehen und es ist heller.
Es stehen noch kleinere Verbesserungen für unsere Fahrgäste an. So werden Handläufe vorn und hinten angebaut sowie eine elektronische Einstiegshilfe.
Als unser neuer Shuttle noch nicht mit den blauen Wolken der Caritas-Werkstatt beklebt war, sahen wir aus wie eines von vielen Autos. Wir trauten uns nicht mal so am Straßenrand anzuhalten, um motorisch eingeschränkte Fahrgäste rein- oder rauszulassen.
Als Caritas-Werkstatt erkennbar ließ uns vorher der eine oder andere auch gerne mal vor, wir waren ja die Caritas. Das unbeklebte Fahrzeug wurde von den anderen Verkehrsteilnehmern nicht beachtet.
Nun steht uns der Neue mit seiner ganzen blauen Aufschrift bereit und alles ist wie vorher. Unsere Werbetechnik und die Berufsbildung haben hier ganze Arbeit geleistet. Auf der Straße fühlen wir uns wieder wohl, so wie wir es gewohnt waren. Erkannt und gegrüßt von den anderen Fahrdiensten und von jedem, der uns kennt.
28. Juli 2024 | Logbuch |
Online-Reporterin Michaela Senf empfängt Besuch:
Jeden Tag besucht uns in der Wohngruppe am St. Johannesberg ein Eichhörnchen, um sich etwas Gutes zum Fressen zu besorgen. Aus diesem Grund haben wir immer Walnüsse da. Das Eichhörnchen schnappt sich eine, haut ab und kommt wieder.
Ab und zu beobachtet uns das Tierchen beim Frühstücken, oder es schaut zum Abendessen vorbei. Will sie vielleicht in Gemeinschaft essen?
Sie hat auch einen Namen, wir nennen sie Lilli.
Einmal knackte Lilli eine Nuss vor unseren Augen. Wir kaufen extra Nüsse für sie, genau wie das Futter für die Vögel. Auf unserem Balkon steht ein Vogelhaus mit Körnern. Tiere sind mir wichtig, und Lilli das Eichhörnchen gehört einfach zu uns. Ich finde, man sollte Tiere achten und gut mit ihnen umgehen.
„Guck doch mal!“, sag ich dann zu meinen Mitbewohnern, „Lilli ist wieder da.“
26. Juli 2024 | Logbuch |
Nur Stroh im Kopf haben dieser Tage aus gutem Grund die Beschäftigten und Fachkräfte im Arbeitsbereich Holzverarbeitung: Das Stroh nämlich, das in der Caritas-Werkstatt für Mellifera e.V. zu Trennschieden in den Einraumbeuten verarbeitet wird, um dort für eine angenehme Behausung der Bienenvölker zu sorgen. Und das alles auch noch selbst geerntet, wie hier auf den Feldern von Grüneberg.
24. Juli 2024 | Logbuch |
Die Online-Reporterin Manuela Wroblewski ist Stammkundin in der neuen Bücherzelle im St. Johannesberg:
Eine ausrangierte Telefonzelle verwandelte sich in einen kleinen Buchladen. Sie ist jetzt nicht mehr gelb, sondern mit Rot angesprüht, natürlich außergewöhnlich!
Weil ich überall solche ehemaligen Telefonzellen sah, die zu Second-Hand-Buchläden umgestaltet wurden, sprach ich vor einiger Zeit die Werkstattleitung an, ob wir so etwas nicht auch bei uns einrichten könnten?
Siehe da, … nun steht sie auf unserem Campus. Tagtäglich kann man dort seine Romane, DVDs und CDs hinbringen und sich zugleich als Bücherwurm durchschmökern. Auf dem Weg zum Haus Luise, zwischen Josefhaus und Wohnheim steht unser kleines rotes Bücherstübchen. Also Ihr Lieben, habt Spaß beim Herumstöbern und Entdecken!
18. Juli 2024 | Logbuch |
Die Online-Reporter sind in der Caritas-Werkstatt unterwegs, auf der Suche nach interessanten Gesprächspartnern. Heute: Moritz Siegert trifft Angela Geißler.
Am 16. Januar 1999, also vor über 25 Jahren, kam Angela in die Werkstatt. Herr Lau bot ihr zunächst an, als Gruppenleiterin im Förderbereich zu arbeiten. Ein halbes Jahr später wurde sie als Sozialarbeiterin eingesetzt.
Sie war neugierig auf diese Tätigkeit, weil sie eine Institution wie unsere vorher noch nicht kannte, dazu Angela: „Als Gruppenleiterin und später als Sozialarbeiterin im Fachdienst lernte ich viel über die Werkstatt und ihre Beschäftigten.“
Arbeiten im Fachdienst bedeutet: „Alle haben sehr viel auf einmal zu tun. Es ist natürlich nicht immer einfach, alles gleichzeitig zu schaffen. Man muss sich jeden Tag neu überlegen, was heute am wichtigsten ist. Das ist zugleich das Schönste daran, weil es so nie langweilig wird.“
Am liebsten mag Angela die Arbeit mit den Beschäftigten. In der Cantina isst sie gern Pommes. Dass es ihr Spaß macht hier, glaube ich ihr gern.
17. Juli 2024 | Logbuch |
Im besten Sinne auf den Leim gegangen sind in dieser Woche die Beschäftigten in unserem Arbeitsbereich Holzverarbeitung in der Qualifizierungseinheit “Verleimung von Leisten”. Diese Lernsequenzen in Anlehnung an die Neue BildungsSystematik (NBS) sind inzwischen ein fester Bestandteil im Arbeitsalltag dieser Abteilung und Vorbild für die flächendeckende Etablierung der NBS in der Caritas-Werkstatt.
16. Juli 2024 | Logbuch |
Auf Einladung von Janny Armbruster, der Behindertenbeauftragte von Brandenburg, kam dieser Tage die neu gegründete Landesarbeitsgemeinschaft der Frauenbeauftragten in Beelitz zu einem Festakt zusammen. Gäste aus Politik und Werkstattszene gratulierten dem neu gewählten Vorstand und wünschten einen guten Start für dieses verantwortungsvolle Amt. Die Caritas-Werkstatt wurde nicht nur für das musikalische Rahmenprogramm gefeiert, sondern stellt mit Katrin Dewitz auch die 1. Vorsitzende des LAG-Vorstands. Auch von dieser Stelle: Herzlichen Glückwunsch und viel Kraft und Energie an alle Frauenbeauftragten!
15. Juli 2024 | Logbuch |
… und manchmal auch um Erfahrungen oder sogar um einige Euro reicher. Gestern Abend zum Beispiel konnte nicht nur die spanische Nationalmannschaft über den Europameistertitel jubeln, sondern auch Andrea Bloch als Gewinnerin beim Tippspiel der Caritas-Werkstatt. Wie vierzehn andere Beschäftigte und Fachkräfte hatte sie einen spanischen Triumph vor Turnierbeginn vorausgesagt und kam obendrein mit ihrem Tipp auf die Gesamtzahl der erzielten Tore der Wahrheit am nächsten. So viel prophetische Gabe wird mit dem Jackpot belohnt, der Summer aller Einsätze. Wie immer gilt: Nicht alles auf einmal ausgeben!
11. Juli 2024 | Logbuch |
Die Online-Reporter sind in der Caritas-Werkstatt unterwegs, auf der Suche nach interessanten Gesprächspartnern. Heute: Moritz Siegert trifft Stefan Einbrodt.
Am 5. Januar 2009, also vor mittlerweile 15 Jahren, fing Stefan in der Caritas-Werkstatt an. Zunächst arbeitete er in der Bernauer Straße 100, bevor er in den Heidering, später an den Aderluch und im März 2020 als Gruppenleiter in die Abteilung Werbemittel der Hauptwerkstatt wechselte. Vorher arbeitete er erfolgreich in anderen Betrieben. Zu uns kam er, um seine berufliche Perspektive zu verbessern.
Sein schönstes Erlebnis in der Werkstatt war es, als er zusammen mit seinen Beschäftigten an einem Tag 29 Autos beklebte. Sein traurigstes Erlebnis war der Tod einer Kollegin, die vor einigen Jahren starb.
Stefan kommt hier mit allen klar, wie er sagt. Die schwerste Arbeit, die er je bei uns verrichtete, war die Fächerumstellung der Seriennummer 970 für Orafol. Das musste sehr schnell gehen, weil der Auftraggeber Druck machte. Dazu waren die Anforderungen höher, als bei den alten Farbfächern.
Stefan hört gern Musik, auf einen Lieblingsinterpreten möchte er sich indes nicht festlegen. Dazu fährt er gern Kajak und ist ein leidenschaftlicher Fahrradfahrer.
Als größte Stärke sieht er seinen Humor. Lieber Stefan: Das können wir nur bestätigen! Schwächen habe er ebenfalls, wie jeder andere auch, doch welche das seiner Meinung nach sind, verrät er nicht. Eines indes verrät er: Seine Lieblingsfarbe bei den Fächern ist schwarz.