120 Jah­re St. Johannesberg

120 Jah­re St. Johannesberg

120 Jah­re St. Johannesberg

Von Ste­fa­nie Fech­ner | Mär­ki­sche All­ge­mei­ne Zeitung

Die Ca­ri­tas fei­ert am heu­ti­gen Sonn­abend in der Ber­li­ner Stra­ße in Ora­ni­en­burg ein gro­ßes und run­des Ju­bi­lä­um am St. Johannesberg

Ora­ni­en­burg. Die Ein­rich­tun­gen der Ca­ri­tas am St. Jo­han­nes­berg in der Ber­li­ner Stra­ße in Ora­ni­en­burg ver­bin­det seit in­zwi­schen 120 Jah­ren Tra­di­ti­on und die Er­fah­run­gen mo­der­ner päd­ago­gi­scher Kon­zep­te so­wie in­no­va­ti­ver Ideen. Am heu­ti­gen Sonn­abend fei­ert die Ein­rich­tung ihr gro­ßes, run­des Grün­dungs­ju­bi­lä­um. Ab 14 Uhr fin­den die Fest­lich­kei­ten auf dem Ge­län­de in der Ber­li­ner Stra­ße 91–93 mit ei­nem um­fang­rei­chen Fest­pro­gramm statt. Da­bei wird es auch ei­nen Rück­blick auf die durch­aus wech­sel­vol­le Ge­schich­te und Ent­wick­lung der Ein­rich­tung geben.

Mit dem Er­werb ei­ner Som­mer­vil­la in der Ber­li­ner Stra­ße in Ora­ni­en­burg durch den Or­den der Do­mi­ni­ka­ne­rin­nen am Are­n­berg im Jahr 1899 be­ginnt die­se Ge­schich­te. 60 Wai­sen­kin­der soll­ten hier ein neu­es Zu­hau­se fin­den. 1902 wur­de die Ka­pel­le ge­baut und ein­ge­weiht, im Jahr 1928 be­gan­nen die Or­dens­schwes­tern mit der Be­treu­ung von Säug­lin­gen. Wäh­rend des Zwei­ten Welt­kriegs von 1939 bis 1945 dien­te die Ein­rich­tung in der Ber­li­ner Stra­ße als Eva­ku­ie­rungs­la­ger, ab 1946 be­treu­te das Heim dann tu­ber­ku­lo­se­kran­ke Kin­der. 1954 wur­den schließ­lich die ers­ten Kin­der mit geis­ti­gen Be­hin­de­run­gen in die Ein­rich­tung auf­ge­nom­men, de­ren Zahl sich in Fol­ge schnell auf über 100 er­höh­te. Ab 1980 bil­de­ten sich ers­te Ko­ope­ra­tio­nen mit re­gio­na­len Un­ter­neh­men zum Zwe­cke der Ar­beits­the­ra­pie für die Be­woh­ner und Be­woh­ne­rin­nen, ehe die Or­dens­schwes­tern der Do­mi­ni­ka­ne­rin­nen schließ­lich 1986 in ihr Mut­ter­haus nach Are­n­berg zu­rück­kehr­ten und Heinz Steh als ers­ter welt­li­cher Lei­ter der Ein­rich­tung an des­sen Spit­ze rückte.

1991 über­nahm dann schließ­lich die Ca­ri­tas Fa­mi­li­en- und Ju­gend­hil­fe GGmbH die Rechts­trä­ger­schaft der Ein­rich­tung, die sie bis heu­te inne hat. Werk­statt und Schu­le wur­den ge­grün­det, ehe 1998 ein wei­te­rer wich­ti­ger Schritt folg­te: Neu­bau und Ein­wei­hung der Haupt­werk­statt in der Ber­li­ner Stra­ße 93. Zu die­sem Zeit­punkt zähl­te die Werk­statt im­mer­hin be­reits 140 Be­schäf­tig­te. Zwi­schen 2004 und 2006 zog dann auch die Schu­le in den mo­der­nen Neu­bau auf das Ge­län­de um, es folg­te eine er­neu­te Er­wei­te­rung der Werk­statt, auch der För­der­be­reich wur­de ein­ge­weiht. Die Ein­rich­tung wuchs wei­ter er­heb­lich, so dass 2009 im Ora­ni­en­bur­ger Ge­wer­be­park Nord schließ­lich eine eine Zweig­werk­statt mit rund 100 Ar­beits­plät­zen ein­ge­rich­tet wurde.

Heu­te bie­tet das Ca­ri­tas-Woh­nen St. Jo­han­nes­berg in der Ber­li­ner Stra­ße Men­schen mit un­ter­schied­lich stark aus­ge­präg­ten Be­hin­de­run­gen ein Zu­hau­se. Dan­ke Hil­fe­stel­lung bei de­ren Le­bens­ge­stal­tung wird ih­nen ein weit­ge­hend selbst­stän­di­ges Le­ben er­mög­licht. Die Be­woh­ner le­ben – mit Un­ter­stüt­zung ent­spre­chend aus­ge­bil­de­ten Fach­per­so­nals – in Wohn­grup­pen zusammen.

Ei­nen wei­te­ren Stand­ort hat das St. Jo­han­nes­berg in der Hild­bur­ger­hau­se­ner Stra­ße. An der dor­ti­gen Schu­le, die den son­der­päd­ago­gi­schen Schwer­punkt „geis­ti­ge Ent­wick­lung“ hat, ler­nen der­zeit rund 75 Kin­der aus ganz Ober­ha­vel und dem nörd­li­chen Ber­lin. Auch sie kön­nen bei Be­darf in der Ca­ri­tas-Ein­rich­tung le­ben und nach Ende ih­rer Schul­zeit in ei­nen Ar­beits­platz der Ca­ri­tas-Werk­statt wechseln.

416 Be­schäf­tig­te sind der­zeit in der Werk­statt tä­tig. Sie sol­len nach ih­ren in­di­vi­du­el­len Mög­lich­kei­ten so­wohl ge­för­dert, aber auch ge­for­dert wer­den, so dass Brü­cken zum Ar­beits­markt ge­baut wer­den kön­nen. Das Kon­zept hat Er­folg: Ak­tu­ell ar­bei­ten 20 Be­schäf­tig­te in Fremd­fir­men in und um Ora­ni­en­burg. Neu­es­tes Pro­jekt der Ca­ri­tas-Werk­statt ist das „Rad & Tat“. Da­bei wer­den ge­brauch­te Fahr­rä­der ver­kehrs­tüch­tig auf­ge­ar­bei­tet. Die Be­schäf­tig­ten üben auf die­se Wei­se eine sinn­vol­le, be­ruf­li­che Tä­tig­keit aus und schaf­fen ei­nen nach­hal­ti­gen wirt­schaft­li­chen Mehrwert.

Le­ben, ler­nen, arbeiten

Le­ben, ler­nen, arbeiten

Le­ben, ler­nen, arbeiten

Von Daria Doer | Ora­ni­en­bur­ger Generalanzeiger

120. Ge­burts­tag Die Ein­rich­tun­gen der Ca­ri­tas am St. Jo­han­nes­berg in Ora­ni­en­burg fei­ern am Wo­chen­en­de ein Ju­bi­lä­um. Sie sind ein le­ben­di­ger Be­stand­teil der Kreisstadt.

Be­woh­ner des St. Jo­han­nes­bergs kau­fen für ihre Grup­pen Le­bens­mit­tel ein, Schü­ler der Schu­le nut­zen die Sport­hal­le der Co­me­ni­us-Grund­schu­le und er­hal­ten Schwimm­un­ter­richt im Turm. Be­schäf­tig­te der Werk­statt fah­ren mit dem Nah­ver­kehr oder dem Rad zur Ar­beit, und alle nut­zen auch die öf­fent­li­chen Ver­kehrs­mit­tel, wenn sie zu Aus­flü­gen oder Ex­kur­sio­nen un­ter­wegs sind.

Am An­fang stan­den die Do­mi­ni­ka­nerin­nern des Klos­ters Are­n­berg bei Ko­blenz. Sie er­war­ben für ihr Ber­li­ner Wai­sen­haus im Ka­tha­ri­nen­stift eine Som­mer­vil­la in der Ber­li­ner Stra­ße am da­ma­li­gen Stadt­rand Ora­ni­en­burgs, die den Kin­dern als Er­ho­lungs­heim die­nen soll­te. Wai­sen­kin­der ge­hör­ten 1899 noch zu den Ärms­ten und Hilfs­be­dürf­tigs­ten der Ge­sell­schaft und konn­ten ohne Un­ter­stüt­zung kaum über­le­ben. Schon bald fan­den 60 Wai­sen hier ein stän­di­ges Zu­hau­se, und es be­gann das bis heu­te sich fort­set­zen­de Wachs­tum der Ein­rich­tung. Seit 1902 prägt die Ka­pel­le das äu­ße­re Bild, und „sie ist noch im­mer das Herz­stück al­ler Ein­rich­tun­gen hier“, sagt An­drea Wen­ske, die Lei­te­rin der Ca­ri­tas-Schu­le St. Johannesberg.

Mög­lichst viel Selbstständigkeit

Hei­mat und Wohn­ort war der St. Jo­han­nes­berg von An­fang an. Heu­te be­her­bergt Ca­ri­tas-Woh­nen 94 Be­woh­ner an ver­schie­de­nen Stand­or­ten und be­treut am­bu­lant 37 selbst­stän­dig woh­nen­de Men­schen. „Un­ser Ziel ist so­zia­le In­te­gra­ti­on bei höchst­mög­li­cher Selb­stän­dig­keit“, sagt Ger­lin­de Fie­litz und fügt hin­zu, dass sich ei­ni­ge Be­woh­ner für Po­li­tik in­ter­es­sie­ren und zur Wahl ge­hen möch­ten. Für alle ist eine Ta­ges­struk­tur wich­tig. Die ei­nen ar­bei­ten in der Werk­statt, an­de­re sind in der Ta­ges­be­treu­ung mit ein­fa­chen Ar­bei­ten oder künst­le­ri­schen Tä­tig­kei­ten be­schäf­tigt. Nach der Rück­kehr in ihre Wohn­grup­pen ist der Nach­mit­tag je nach Vor­lie­be Hob­bies, Ki­no­be­su­chen, krea­ti­ven Ar­bei­ten oder ein­fach dem Tref­fen mit Freun­den gewidmet.Und na­tür­lich muss auch das Zim­mer in Ord­nung ge­bracht werden.

Werk­statt mit 416 Beschäftigten

Schon seit 1980 wur­den in der Ar­beits­the­ra­pie ein­fa­che Tä­tig­kei­ten für Be­trie­be in Ora­ni­en­burg und Ber­lin aus­ge­führt. Heu­te be­deu­tet Teil­ha­be am Ar­beits­le­ben das Recht auf För­de­rung, Aus­bil­dung und Be­schäf­ti­gung für je­den Men­schen mit Behinderung.

Die Ca­ri­tas-Werk­statt für Be­hin­der­te wur­de 1991 ge­grün­det. In­zwi­schen ist dar­aus ein mo­der­nes Un­ter­neh­men mit 416 Be­schäf­tig­ten ge­wor­den, das an drei Stand­or­ten in den Be­rei­chen Mon­ta­ge und De­mon­ta­ge, Hol­zund Me­tall­ver­ar­bei­tung, Wer­be­mit­tel­fer­ti­gung so­wie Gar­ten­bau, Kü­che und Wä­sche­rei für Pri­vat­per­so­nen, Hand­werks­be­trie­be und In­dus­trie tä­tig ist. „Sol­che Ar­beits­plät­ze soll­te es öf­ter ge­ben, da­mit Leu­te, die ar­bei­ten wol­len, auch ar­bei­ten kön­nen und ihre Fa­mi­lie sel­ber er­näh­ren“, sagt Uta Do­nath, die seit zehn Jah­ren in der Wä­sche­rei ar­bei­tet. Sie kommt je­den Tag gern, „weil man un­ter Leu­ten ist, Freun­de hat und gute Chefs“.

Ihre Toch­ter, Jo­se­fi­ne Ma­rie, be­sucht die Se­kun­dar­stu­fe 1 der Ca­ri­tas-Schu­le und mag Deutsch und Ma­the, „denn da lernt man was“. Ihr Klas­sen­ka­me­rad Wil­li Wen­zel da­ge­gen fin­det: „Das Bes­te an der Schu­le ist doch die Pau­se und dass man sei­ne Freun­de trifft.“

Die Schu­le ist das jüngs­te Mit­glied in der St. Jo­han­nes­berg-Ge­mein­schaft, weil in der DDR für geis­tig be­hin­der­te Kin­der kei­ne Schul­pflicht be­stand. Sie steht heu­te auf dem groß­zü­gi­gen Ge­län­de der Hild­burg­hau­se­ner Stra­ße 4. Hier wer­den 88 Schü­ler im Al­ter von 6 bis 18 Jah­ren nach dem Rah­men­lehr­plan für Kin­der mit dem Schwer­punkt geis­ti­ge Ent­wick­lung un­ter­rich­tet. In den zehn Klas­sen reicht das Spek­trum von mehr­fach schwer­be­hin­der­ten Kin­dern, die durch grund­le­gen­de, ba­sa­le An­rei­ze in Wahr­neh­mungs­mög­lich­keit und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­fä­hig­keit ge­för­dert wer­den, bis zu sol­chen, die die Grund­la­gen des Le­sens, Schrei­bens, Rech­nens er­ler­nen kön­nen. Ei­nen Schwer­punkt bil­det ne­ben der so­zia­len die le­bens­prak­ti­sche Aus­bil­dung. Es gibt Haus­wirt­schafts­un­ter­richt, die Schü­ler be­rei­ten Mahl­zei­ten zu, kau­fen ein und ko­chen nach ein­fa­chen Re­zep­ten. Die Grö­ße­ren ma­chen ein Werk­statt­prak­ti­kum. Vie­le wech­seln nach der Schul­zeit in die Werk­statt. Es gab vie­le Jah­re eine Schul­band, die die Fes­te ver­schö­ner­te, und eine Thea­ter-AG, die in Ki­tas und der Früh­för­der­stel­le auf­trat. Heu­te gibt es noch die Schü­ler­fir­ma Jo­han­nes­bör­ger und seit die­sem Jahr das Gemüseackerdemie-Projekt.

Seit 120 Jah­ren ha­ben im St. Jo­han­nes­berg die Schwächs­ten der Ge­sell­schaft eine Hei­mat. Sie kön­nen ihre Per­sön­lich­keit ent­wi­ckeln und wer­den da­bei un­ter­stützt und gefördert.

Am Sonn­abend wird auf dem Ge­län­de in der Ber­li­ner Stra­ße 91–93 in Ora­ni­en­burg ge­fei­ert. Um 14 Uhr be­ginnt ein Fest­got­tes­dienst. Au­ßer­dem gibt es ein Bühnenprogramm.

St. Jo­han­nes­berg Ge­schich­te
1899: St. Jo­han­nes­berg wird ge­grün­det, um Wai­sen­kin­der zu be­treu­en
1902: Bau der Ka­pel­le be­ginnt
1954: Auf­nah­me der ers­ten geis­tig be­hin­der­ten Kin­der auf St. Jo­han­nes­berg, weil Kin­der ohne De­fi­zi­te zu die­ser Zeit aus­schließ­lich in staat­li­chen Hei­men er­zo­gen wer­den durf­ten
ab 1980: Ko­ope­ra­ti­on mit re­gio­na­len Un­ter­neh­men be­ginnt
1991: Die Ca­ri­tas über­nimmt das Wohn­heim, Werk­statt und Schu­le wer­den ge­grün­det.
1998: Neu­bau von Wohn­häu­sern und der Haupt­werk­statt
2004: Eine neue Schu­le wird in Ora­ni­en­burg er­rich­tet.
2005 bis heu­te: Er­wei­te­rung und Aus­bau von Werk­statt und Zweigstellen

Hand in Hand

Hand in Hand

Hand in Hand

Von Ste­fan This­sen | Echt – Das Heft für den Bundesfreiwilligendienst 

Lena Kretz­schmar führt ei­nen schwar­zen Baum­woll­fa­den durch das Ge­flecht des Web­rah­mens. Ihr ge­gen­über sitzt die 55-jäh­ri­ge Pe­tra und schaut schwei­gend und schein­bar teil­nahms­los zu. Lena er­mun­tert sie mit­zu­ma­chen. Die Bun­des­frei­wil­li­ge wie­der­holt den Vor­gang ge­dul­dig, bis Pe­tra lang­sam Mut fasst und den Fa­den mit­hil­fe ei­nes höl­zer­nen Web­schiff­chens sel­ber durch den Web­rah­men zieht.

Aus dem Hin­ter­grund be­ob­ach­tet Mary die bei­den. Ger­ne möch­te auch sie mit­ma­chen und zei­gen, was sie kann – lie­ber beim We­ben als bei der ihr ei­gent­lich zu­ge­teil­ten Ar­beit. Schließ­lich wird das We­ben ja heu­te auch noch fo­to­gra­fiert. Nach ei­ni­ger Zeit wird es Pe­tra zu viel, ihre Kon­zen­tra­ti­on schwin­det. Mary springt gern für sie ein und über­nimmt. Lena ar­bei­tet nun Hand in Hand mit Mary am Web­rah­men, die gleich eif­rig bei der Sa­che ist und den Fa­den ge­schickt durch das Ge­flecht führt.

Krea­tiv sein
Lena hat­te schon im­mer eine krea­ti­ve Ader. Be­reits in der Schul­zeit hat sie mit Lei­den­schaft mu­si­ziert, ge­zeich­net oder Ge­brauchs­ge­gen­stän­de ent­wor­fen. Als klei­ne Schwes­ter ei­fer­te sie zu­nächst ih­ren bei­den äl­te­ren Brü­dern nach, die in tech­ni­schen Stu­di­en­gän­gen an der Uni ein­ge­schrie­ben sind. Nach dem Abi woll­te die 19-Jäh­ri­ge Phar­ma­zie stu­die­ren, aber der No­ten­durch­schnitt reich­te nicht aus, um sich den Stu­di­en­wunsch zu er­fül­len. Als auch die Be­wer­bungs­fris­ten für mög­li­che Aus­bil­dungs­be­ru­fe be­reits ver­stri­chen wa­ren, muss­te kurz­fris­tig eine sinn­vol­le Al­ter­na­ti­ve her. Da so­wohl ihre El­tern als auch ihre Tan­te und Oma in so­zia­len Be­ru­fen tä­tig sind, kam Lena auf die Idee, sich im Bun­des­frei­wil­li­gen­dienst zu en­ga­gie­ren und die Zeit als Ori­en­tie­rungs­jahr zu nut­zen. So kam Lena zur Ca­ri­tas-Werk­statt St. Johannesberg.

Die un­ter­schied­li­chen An­ge­bo­te der Ca­ri­tas-Werk­statt St. Jo­han­nes­berg bie­ten den fünf Bun­des­frei­wil­li­gen, die hier wie Lena ein Jahr lang Er­fah­run­gen für ih­ren wei­te­ren Le­bens­weg sam­meln kön­nen, viel­fäl­ti­ge Ori­en­tie­rungs- und Ent­fal­tungs­mög­lich­kei­ten. Ne­ben ei­ner Holz­ver­ar­bei­tung gibt es un­ter an­de­rem eine Me­tall­ver­ar­bei­tung, Gar­ten- und Land­schafts­pfle­ge oder die Groß­kü­che “Can­ti­na” samt Ca­te­ring­ser­vice. Die fest­an­ge­stell­ten Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter sind ent­spre­chend als Tech­ni­ker, Kö­che oder So­zi­al­päd­ago­gen, Gar­ten­bau­in­ge­nieu­re, Ver­wal­tungs­an­ge­stell­te oder Hei­ler­zie­hungs­pfle­ger aus­ge­bil­det. Tat­kräf­ti­ge Un­ter­stüt­zung er­hal­ten sie von den Bun­des­frei­wil­li­gen, die die Be­schäf­tig­ten bei ih­rer Ar­beit und den all­täg­li­chen Ver­rich­tun­gen begleiten.

Hil­fe anbieten
Le­nas Tag in St. Jo­han­nes­berg be­ginnt um 7:00 Uhr. Sie be­rei­tet ein ge­mein­sa­mes Früh­stück vor, be­spricht sich mit den Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen in der Grup­pen­lei­ter­sit­zung und be­glei­tet an­schlie­ßend ei­ni­ge der Be­schäf­tig­ten zur Ar­beit. Le­nas Grup­pe be­steht ins­ge­samt aus sie­ben Be­schäf­tig­ten. Drei von ih­nen sind auf ei­nen Roll­stuhl an­ge­wie­sen und teil­wei­se stark in den Be­we­gun­gen der Arme und Hän­de ein­ge­schränkt. Die er­for­der­li­che Be­glei­tung wird durch zwei haupt­amt­li­che Hei­ler­zie­hungs­pfle­ger ge­währ­leis­tet. Lena hilft dort, wo sie be­nö­tigt wird. Heu­te un­ter­stützt sie Pe­tra und Mary bei den Web­ar­bei­ten. Al­ter­na­ti­ve krea­ti­ve An­ge­bo­te für die Be­schäf­tig­ten in Le­nas Grup­pe sind “Sei­fe gie­ßen” und “Kar­ten bas­teln”. Auch ein Ru­he­raum zum “Run­ter kom­men” steht bei Be­darf je­der­zeit für die Be­schäf­tig­ten zur Verfügung.

Ab 11:30 Uhr wird in der Can­ti­na ein ge­mein­sa­mes Mit­tag­essen an­ge­bo­ten. Heu­te küm­mert sich Lena um den 20-jäh­ri­gen Rene, der in sei­nen Be­we­gun­gen stark ein­ge­schränkt ist und Hil­fe beim Es­sen be­nö­tigt. Die BFD­le­rin pü­riert ein Nu­del­ge­richt und setzt sich in der haus­ei­ge­nen Kü­che zu­sam­men mit ihm an den Ess­tisch. Zum Nach­tisch gibt es eine dop­pel­te Por­ti­on Früch­te­jo­gurt, die Rene an­stands­los ver­putzt. Mit ei­ner Ser­vi­et­te ge­winnt die Bun­des­frei­wil­li­ge Re­nes Auf­merk­sam­keit für ein ge­mein­sa­mes Foto. Der scheint von dem knis­tern­den Pa­pier ganz an­ge­tan zu sein und re­agiert po­si­tiv auf die klei­ne Un­ter­hal­tung au­ßer der Rei­he. Da­nach geht Lena ge­mein­sam mit ih­rer Grup­pe zum Es­sen in die Cantina.

Am frü­hen Nach­mit­tag keh­ren die ers­ten Be­schäf­tig­ten in ihre Woh­nun­gen zu­rück. Dazu wer­den ei­ni­ge an­ge­klei­det und be­glei­tet. Lena be­glei­tet heu­te Mar­co von der Werk­statt zu sei­ner Woh­nung. Doch erst ein­mal un­ter­stützt sie ihn beim An­klei­den. Der 31-Jäh­ri­ge ist schweig­sam und zu­nächst et­was un­si­cher. Schließ­lich wil­ligt er aber ein, sich mit Lena zu­sam­men fo­to­gra­fie­ren zu las­sen. Er freut sich über die Auf­merk­sam­keit und Le­nas ver­trau­te Hil­fe gibt ihm sei­ne ge­wohn­te Si­cher­heit zu­rück. Ge­mein­sam meis­tern die bei­den sou­ve­rän das nicht ganz ein­fa­che An­klei­den- ein klei­nes Er­folgs­er­leb­nis, das bei­den sicht­lich gut tut. Nach­dem sie Mar­co zu sei­ner Woh­nung ge­bracht hat, en­det für Lena ge­gen 15:30 Uhr der Tag in St. Johannesberg.

Lo­cker bleiben
“Man muss ler­nen, sich den Be­schäf­tig­ten ge­gen­über zu be­wei­sen, da­mit sie auf ei­nen hö­ren. Dann kann man auch ganz of­fen und frei mit ih­nen ar­bei­ten”, be­rich­tet Lena von ih­rer ers­ten Zeit in der Ein­satz­stel­le. Da­bei ha­ben die Be­schäf­tig­ten sie von Be­ginn an herz­lich auf­ge­nom­men. Mit der Zeit lern­te Lena dann, be­hut­sam ihre Au­to­ri­tät ge­gen­über den Be­schäf­tig­ten zu be­haup­ten, um ge­mein­sam mit ih­nen den All­tag zu ge­stal­ten. Die Grup­pen­lei­ter stärk­ten der Bun­des­frei­wil­li­gen da­bei von An­fang an den Rü­cken und er­leich­ter­ten ihr die­sen Pro­zess. Auch das täg­li­che Ge­spräch mit den haupt­amt­li­chen Be­treue­rin­nen und Be­treu­ern half ihr da­bei, im Um­gang mit den Be­schäf­tig­ten si­che­rer und selbst­be­wuss­ter zu werden.

Di­rekt nach dem Abi stu­die­ren zu müs­sen? Von die­sem selbst auf­er­leg­ten Druck hat sich Lena nach der ers­ten Hälf­te ih­res Bun­des­frei­wil­li­gen­diens­tes be­freit. Zu­nächst fiel es ihr schwer, sich von ih­rem Per­fek­tio­nis­mus zu lö­sen. Aber ihre Er­fah­run­gen mit den Be­schäf­tig­ten, die durch­aus ih­ren ei­ge­nen Kopf ha­ben kön­nen und nicht al­les per­fekt ma­chen, ha­ben sie et­was an­de­res ge­lehrt: Die Din­ge lo­cke­rer se­hen, sich ein­brin­gen und die Men­schen neh­men, wie sie sind.

Er­fah­rung sammeln
Die­se Ent­wick­lun­gen emp­fin­det die 19-Jäh­ri­ge als ei­nen un­ge­heu­ren Schatz, den sie im St. Jo­han­nes­berg er­hal­ten hat.

Auch ihre Be­rufs- und Stu­di­en­wün­sche ha­ben sich ge­wan­delt. In ih­rer Ge­mein­de hat sie sich auf eine Stel­le als Er­zie­he­rin mit be­rufs­be­glei­ten­der Aus­bil­dung be­wor­ben. So­bald es geht, will sie sich par­al­lel auch für den Stu­di­en­gang “So­zia­le Ar­beit” be­wer­ben. Der Be­darf für die­se Be­rufs­rich­tung ist groß und ihre Aus­sich­ten auf eine An­stel­lung sind viel­ver­spre­chend. Doch erst ein­mal wid­met sich Lena voll und ganz ih­rem Bun­des­frei­wil­li­gen­dienst und den Be­schäf­tig­ten in ih­rer Gruppe.

So­zia­le und ge­sell­schaft­li­che Verantwortung
In der Ca­ri­tas-Werk­statt St. Jo­han­nes­berg in Ora­ni­en­burg ar­bei­ten ca. 400 Men­schen mit ei­ner Be­hin­de­rung in ei­nem hoch­mo­der­nen Fer­ti­gungs- und Dienst­leis­tungs­be­trieb. Seit 1991 wer­den die Be­schäf­tig­ten hier mit un­ter­schied­li­chen Tä­tig­kei­ten in ver­schie­de­nen Pro­duk­ti­ons­pro­zes­sen ein­ge­bun­den und kön­nen so am Ar­beits­lei­ben teil­ha­ben. Die Werk­stät­ten sind über drei Stand­or­te in Raum Ora­ni­en­burg ver­teilt und ko­ope­rie­ren eng mit ört­li­chen Hand­werks­be­trie­ben und der In­dus­trie in der Um­ge­bung. Die Bun­des­frei­wil­li­gen un­ter­stüt­zen die haupt­amt­li­chen Fach­kräf­te bei der Be­treu­ung und An­lei­tung in ei­ner Viel­zahl von Be­rufs­fel­dern. Da­bei för­dern sie die be­ruf­li­chen und per­sön­li­chen Kom­pe­ten­zen der Be­schäf­tig­ten. Die gan­ze Viel­falt der An­ge­bo­te gibt es un­ter www.caritas-werkstatt.com

Ge­frag­te Kundschaft

Ge­frag­te Kundschaft

Ge­frag­te Kundschaft

Werk­statt Dialog

Eine Un­ter­su­chung zur Ar­beits­platz­zu­frie­den­heit in der Ca­ri­tas-Werk­statt Oranienburg

In den ro­ten Schreib­map­pen hat al­les sei­ne Ord­nung: der Fra­ge­bo­gen mit ins­ge­samt vier­zig Fra­gen zum Ar­beits­all­tag in der Werk­statt, das Post­skript für die No­ti­zen und An­ga­ben zum In­ter­view ver­lauf, die Hin­wei­se zur In­ter­view­durch­füh­rung. Dazu Bild­kar­ten zur vi­su­el­len Ver­deut­li­chung der Ant­wort­mög­lich­kei­ten. In der Werk­statt weiß man: Es ist wie­der Freitag.

Über meh­re­re Mo­na­te im Jahr 2018, eben frei­tags, sind spe­zi­ell qua­li­fi­zier­te Be­schäf­tig­te in den Stand­or­ten der Ca­ri­tas-Werk­statt un­ter­wegs, um ihre Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen zur Zu­frie­den­heit an ih­rem Ar­beits­platz und in der Werk­statt ins­ge­samt zu befragen.

Doch be­vor es so­weit war, gab es eine Men­ge Ar­beit zu er­le­di­gen. Ka­tha­ri­na Rie­del lei­tet in der Ca­ri­tas-Werk­statt den Be­rufs­bil­dungs­be­reich Cam­pus Q. Be­ruf­li­che Bil­dung ist ein Schlüs­sel­the­ma in der Ca­ri­tas-Werk­statt. So sind auch die Pro­duk­ti­ons­lei­ter an den Kom­pe­tenz­ana­ly­sen für die Be­schäf­tig­ten im Ar­beits­be­reich be­tei­ligt. Je­des Jahr ver­öf­fent­licht die Werk­statt ein um­fang­rei­ches Fort­bil­dungs­pro­gramm – glei­cher­ma­ßen für die Werk­statt­be­schäf­tig­ten und das haupt­amt­li­che Per­so­nal. Ein Job­coach un­ter­stützt Be­schäf­tig­te auf ih­rem Weg in wei­ter­füh­ren­de Be­schäf­ti­gungs­ver­hält­nis­se oder den all­ge­mei­nen Ar­beits­markt. Ge­plant wer­den die Ent­wick­lungs­schrit­te in ei­nem Jah­res­ge­spräch, das die Fach­kräf­te mit je­dem Be­schäf­tig­ten führen.

Peer to Peer-Be­fra­gung
Doch das For­mat Be­schäf­tig­te fra­gen Be­schäf­tig­te ist ein Pro­jekt von be­son­de­rem Reiz. Der Staa­ten­be­richt der Ver­ein­ten Na­tio­nen zur Kon­ven­ti­on über die Rech­te be­hin­der­ter Men­schen kri­ti­sier­te 2015 das Sys­tem der Werk­stät­ten, ver­langt gar des­sen schritt­wei­se Ab­schaf­fung. In der Öf­fent­lich­keit ver­stärkt sich die Kri­tik an den Werk­stät­ten und ih­ren ge­rin­gen Ver­mitt­lungs­per­spek­ti­ven. Was liegt also nä­her, als die größ­ten Ex­per­ten zu den Be­lan­gen von Werk­statt­be­schäf­tig­ten zu be­fra­gen – die Be­schäf­tig­ten selbst?

Ka­tha­ri­na Rie­del stu­diert zu die­ser Zeit Wirt­schafts- und Or­ga­ni­sa­ti­ons­psy­cho­lo­gie an der Stein­beis-Hoch­schu­le Ber­lin. Die Be­schäf­tig­ten­be­fra­gung mit der me­tho­di­schen Ent­wick­lung und der an­schlie­ßen­den Durch­füh­rung wird Teil ih­rer Mas­ter-The­sis. Auf ei­nen Aus­hang in den Stand­or­ten der Ca­ri­tas-Werk­statt mel­den sich gut 20 Be­schäf­tig­te, um spä­ter die In­ter­views zu füh­ren – als so­ge­nann­te Ko-Forschende.

Über per­sön­li­che Netz­wer­ke wur­den wei­te­re Un­ter­stüt­zer ge­fun­den: Schü­le­rin­nen und Schü­ler der Hei­ler­zie­hungs­pfle­ge an der Emil-Molt-Aka­de­mie, die die Ko-For­schen­den in der In­ter­view­si­tua­ti­on un­ter­stüt­zen, Ant­wor­ten pro­to­kol­lie­ren oder wenn nö­tig er­läu­tern und vermitteln.

For­schungs­vor­ge­hen
Die par­ti­zi­pa­ti­ve For­schung ver­folgt den An­spruch, die Ko-For­schen­den um­fäng­lich in die Fra­ge­bo­gen­ent­wick­lung ein­zu­be­zie­hen. In ver­schie­de­nen Ver­fah­ren – etwa Pho­to­voice, Fan­ta­sie­rei­se, Wunsch­baum oder Brain­stor­ming – wer­den An­lie­gen und The­men der Be­fra­gung ein­ge­grenzt. Es ent­steht der ers­te Ent­wurf ei­nes Ge­sprächs­leit­fa­dens mit den Ar­beits­welt­aspek­ten: 1. Ar­beit und be­glei­ten­des An­ge­bot, 2. Räum­lich­kei­ten und Ar­beits­um­feld, 3. Be­triebs­kli­ma und Mit­ein­an­der, 4. Can­ti­na und Ver­sor­gung, 5. Or­ga­ni­sa­ti­on und Ab­läu­fe, 6. Ent­loh­nung, 7. Mo­der­ni­sie­rung der Werk­statt­lei­tung. Nach und nach wur­den aus die­sem The­men­ab­riss kon­kre­te Fra­ge­stel­lun­gen und Ant­wort­ska­lie­run­gen ent­wi­ckelt. Aus­ge­wähl­te Sym­bo­le auf Bild­kar­ten die­nen der Vi­sua­li­sie­rung von Fra­gen und Ant­wort­mög­lich­kei­ten für Be­frag­te mit ein­ge­schränk­ten Ver­ständ­nis- und Le­se­kom­pe­ten­zen. Am Ende die­ses For­mu­lie­rungs- und Ge­stal­tungs­pro­zes­ses wur­de der Fra­ge­bo­gen­ent­wurf über die Durch­füh­rung von Pre-Tests zu ei­ner par­ti­zi­pa­ti­ven Frei­ga­be durch die Ko-For­schen­den selbst ge­bracht. Die Kon­zep­ti­ons­pha­se en­de­te schließ­lich mit ei­ner ein­ge­hen­den Schu­lung der Interviewenden.

Die Frei­wil­lig­keit der Be­frag­ten soll­te ein we­sent­li­ches Prin­zip der Be­fra­gung sein und so wur­den am Ende nicht alle, aber doch sehr vie­le Be­schäf­tig­te be­fragt. Es wa­ren 262 von ins­ge­samt 400 Beschäftigten.

Spe­zi­ell her­ge­rich­te­te Räum­lich­kei­ten in der Ca­ri­tas-Werk­statt er­mög­lich­ten eine kon­zen­trier­te Ge­sprächs­si­tua­ti­on. Dank der qua­li­fi­zier­ten und en­ga­gier­ten In­ter­view­tan­dems und der in­ter­es­sier­ten und aus­kunfts­freu­di­gen Be­schäf­tig­ten der Ca­ri­tas-Werk­statt ent­wi­ckel­te sich eine Viel­zahl pro­duk­ti­ver Ge­sprä­che. Die am Ende 255 voll­stän­dig aus­ge­füll­ten Fra­ge­bö­gen er­mög­lich­ten eine fun­dier­te und re­prä­sen­ta­ti­ve Datenbasis.

Die größ­ten Fans
Die Be­fra­gungs­er­geb­nis­se be­le­gen eine au­ßer­or­dent­lich hohe Zu­stim­mung nicht nur zum kon­kre­ten Ar­beits­platz, son­dern auch zum Kon­zept der Werk­stät­ten an sich. So äu­ßern 206 Be­schäf­tig­te, mit der Ar­beit und den ei­ge­nen Auf­ga­ben zu­frie­den zu sein, 172 er­hal­ten aus­rei­chend An­er­ken­nung im Ar­beits­all­tag. Und 210 der be­frag­ten Be­schäf­tig­ten (82%) wün­schen sich, auch in fünf Jah­ren noch in der Ca­ri­tas-Werk­statt zu ar­bei­ten; da­von 161 in ih­rer jet­zi­gen Ar­beits­grup­pe, 31 in ei­ner an­de­ren Ab­tei­lung und 18 auf ei­nem aus­ge­la­ger­ten Ar­beits­platz. Wer vor­schnell ei­ner Ab­schaf­fung von Werk­stät­ten das Wort re­det, tut dies je­den­falls nicht im Na­men der Be­trof­fe­nen. Die größ­ten Fans der Werk­statt sind die Be­schäf­tig­ten selbst.

Über­haupt ist die Werk­statt ge­ra­de für Be­schäf­tig­te mit ein­ge­schränk­ter Mo­bi­li­tät ein Ort des Mit­ein­an­ders, eine Bör­se des So­zia­len, ein wich­ti­ges Stück Le­bens­qua­li­tät So ge­ben na­he­zu 80% der be­frag­ten Be­schäf­tig­ten an, in der Werk­statt Freun­de ge­fun­den zu haben.

Blick in die Zu­kunft
Und auch um die Zu­kunft der Werk­statt­leis­tung ma­chen sich die Be­schäf­tig­ten Ge­dan­ken. So in­ter­es­siert sich die Hälf­te der Be­frag­ten für den Er­werb von Bil­dungs­ab­schlüs­sen und Zer­ti­fi­ka­ten so­wie für eine Me­tho­den­viel­falt in der Be­ruf­li­chen Bil­dung mit mo­der­nen Tech­no­lo­gien wie Com­pu­ter oder Ta­blets. Mehr als die Hälf­te der Be­schäf­tig­ten wünscht sich eine per­sön­li­che Be­tei­li­gung an den Fach­aus­schuss­sit­zun­gen bzw. den künf­ti­gen Ver­fah­ren zur Teil­ha­be­pla­nung. Und na­tür­lich ha­ben die meis­ten Be­schäf­tig­ten auch eine Mei­nung, was sie tun wür­den, wenn sie ei­nen Tag lang Werk­statt­lei­ter oder ‑lei­te­rin sein dürften.

Vor­ge­stellt ha­ben die Be­schäf­tig­ten die Er­geb­nis­se ih­rer Be­fra­gung am Ende üb­ri­gens vor in­ter­es­sier­tem Pu­bli­kum aus Be­schäf­tig­ten und haupt­amt­li­chen Fach­kräf­ten selbst. Sie prä­sen­tier­ten die Ca­ri­tas-Werk­statt als ei­nen Teil ih­rer Le­bens­welt – weit mehr als ein Ar­beits­platz. Die Werk­statt ist ein Ort des Ler­nens und Ar­bei­tens, ein Ort des Ge­lin­gens und des so­zia­len Mit­ein­an­ders. Nicht al­les ist voll­kom­men. Die Ca­ri­tas-Werk­statt ist kein Pa­ra­dies, son­dern eine all­täg­li­che Welt. Be­son­ders wird sie durch die Men­schen, die hier ar­bei­ten. Lie­bens­wür­dig, ideen­reich, ori­gi­nell. Eben al­les, au­ßer gewöhnlich.

Viel­falt ist Programm

Viel­falt ist Programm

Viel­falt ist Programm

Von Clau­dia Duda | Ora­ni­en­bur­ger Generalanzeige

Mehr als 500 Be­su­cher beim Tag der Of­fe­nen Tür in der Ca­ri­tas-Werk­statt St. Jo­han­nes­berg in Oranienburg

Ora­ni­en­burg. 500 Tü­ten mit selbst ge­ba­cke­nen Plätz­chen la­gen am Ein­gang be­reit, als am Frei­tag die Tore zur Ca­ri­tas-Werk­statt St. Jo­han­nes­berg öff­ne­ten. Warm und herz­lich wur­den alle Be­su­cher begrüßt.

Ein fröh­li­ches „Gu­ten Tag“ ist in die­sem Haus kei­ne Flos­kel. Mit­ar­bei­ter und Grup­pen­lei­ter der Werk­stät­ten in Ora­ni­en­burg freu­en sich dar­über, von ih­rer Ar­beit zu spre­chen und vie­le klei­ne Hand­grif­fe zu zei­gen. Auf den Gän­gen und in den hoch­mo­der­nen Werk­statt­räu­men drän­geln sich die Gäs­te, die auf­merk­sam zu­hö­ren und Fra­gen stellen.

Zum Bei­spiel als Ha­rald Hoh­berg, der stell­ver­tre­ten­de Werk­statt­lei­ter, be­rich­tet, dass in der Wä­sche­rei jede Wo­che zehn Ton­nen Wä­sche ge­rei­nigt, ge­trock­net und ge­legt wer­den. „Wir sind voll aus­ge­buchT“, er­klärt Ha­rald Hoh­berg nicht ohne Stolz.

Zwei Jah­re lang dau­ert die Aus­bil­dung in den un­ter­schied­li­chen Be­rei­chen des haus­ei­ge­nen Cam­pus Q. Das Q steht für Qua­li­fi­zie­rung. Hier wer­den die Stär­ken und Schwä­chen, Vor­lie­ben und Nei­gun­gen je­des Ein­zel­nen be­ob­ach­tet und be­son­de­re Fä­hig­kei­ten ent­wi­ckelt. In der Mon­ta­ge wird an Fahr­rä­dern ge­schraubt, in der Kü­che wer­den Tä­tig­kei­ten in der Gas­tro­no­mie und im Ser­vice trai­niert und in der Gar­ten- und Land­schafts­pfle­ge ler­nen die Aus­zu­bil­den­den die Grund­la­gen des Wach­sens und Wer­dens in der Na­tur, ge­nau­so wie den Um­gang mit Har­ke und Rasenkantenschneider.

Wir spü­ren oft schnell, was je­der Ein­zel­ne gern mag. Re­gel­mä­ßi­ge Mit­ar­bei­ter­ge­sprä­che hel­fen da­bei, die Mit­ar­bei­ter so ein­zu­set­zen, dass sie sich wohl­füh­len und den Wert ih­rer Ar­beit spü­ren“, er­klärt Chris­toph Lau.

Die Viel­falt ist hier Pro­gramm: Ob beim Prü­fen der Fo­li­en­fä­cher für die Fir­ma Ora­fol oder in der Holz­ver­ar­bei­tung, in der Bie­nen­käs­ten für die we­sens­na­he Im­ke­rei ge­baut wer­den, die so­gar schon bis nach Neu­see­land ex­por­tiert wur­den. Es gibt eine gro­ße Band­brei­te an Be­rufs­bil­dern für un­ter­schied­li­che Be­hin­de­rungs­gra­de. „Die Iden­ti­fi­ka­ti­on mit der ei­ge­nen Ar­beit ist hoch“, ist Chris­toph Lau über­zeugt. Das Mot­to der Werk­statt lau­tet: „Al­les au­ßer ge­wöhn­lich“ – und das wird hier gelebt.

Ar­beit für 415 Be­schäf­tig­te
Seit 1899 gibt es den St. Jo­n­an­nes­berg als Ein­rich­tung für Men­schen mit Be­hin­de­rüng. Die Ca­ri­tas-Werk­statt ist heu­te ein hoch­mo­der­nes Fer­ti­gungs- und Dienst­leis­tungs­un­ter­neh­men.
Zur­zeit ar­bei­ten 415 Men­schen mit Be­hin­de­rung un­ter An­lei­tung von 40 Grup­pen­lei­tern in den ver­schie­de­nen Fer­ti­gungs­be­rei­chen wie Holz­ver­ar­bei­tung, Wä­sche­rei, Gar­ten- und Land­schafts­pfle­ge. Zu den lang­jäh­ri­gen Auf­trag­ge­bern zäh­len zum Bei­spiel Ora­fol, die Ora­ni­en­bur­ger Stadt­ver­wal­tung, Hand­werks­be­trie­be und Privatpersonen.

Tag der of­fe­nen Tür in der Caritas-Werkstatt

Tag der of­fe­nen Tür in der Caritas-Werkstatt

Tag der of­fe­nen Tür in der Caritas-Werkstatt

Von MA­Zon­line

Die Ca­ri­tas-Werk­statt in Ora­ni­en­burg lädt am Frei­tag, den 30. No­vem­ber, zu ei­nem Tag der of­fe­nen Tür in ihre Räu­me. Un­ter an­de­ren prä­sen­tiert sich das „Rad & Tat“-Team, wel­ches sich der­zeit im Auf­bau be­fin­det. Auch Weih­nachts­prä­sen­te kön­nen di­rekt vor Ort er­wor­ben werden.

Ora­ni­en­burg. Die Ca­ri­tas-Werk­statt Ora­ni­en­burg öff­net am Frei­tag, 30. No­vem­ber 2018, die Räu­me für ei­nen Tag der of­fe­nen Tür. Zwi­schen 10 und 15 Uhr ha­ben Be­su­cher die Ge­le­gen­heit, alle Be­rei­che der Werk­statt ken­nen­zu­ler­nen. „Au­ßer­dem bie­ten wir Ih­nen Ad­vents­ge­ste­cke und vie­le wei­te­re Pro­duk­te aus un­se­rem Hau­se an. Auf dem Au­ßen­ge­län­de war­ten stim­mungs­vol­le Markt­stän­de auf Ih­ren Be­such“, kün­digt Werk­statt­lei­ter Chris­toph Lau an.

Fahr­rad­dienst­leis­tun­gen für Pri­vat­kun­den geplant
Prä­sen­tie­ren wird sich auch das „Rad & Tat“-Team. Die Ab­tei­lung, die sich mit al­len Dienst­leis­tun­gen rund ums Fahr­rad be­schäf­tigt und künf­tig auch pri­va­ten Kun­den of­fen steht, be­fin­det sich der­zeit im Aufbau.

Ma­schi­nen fer­ti­gen an die­sem Tag Weih­nachts­prä­sen­te an
Die Ma­schi­nen lau­fen an die­sem Tag nicht im Dienst der Auf­trag­ge­ber, son­dern vor al­lem für die Be­su­cher. Da­bei wer­den klei­ne Weih­nachts­prä­sen­te ge­fer­tigt, die di­rekt er­wor­ben wer­den kön­nen. An der Sieb­druck­an­la­ge wird ex­klu­si­ves Ge­schenk­pa­pier pro­du­ziert, im För­der­be­reich ent­ste­hen hand­ge­zo­ge­ne Ker­zen. Der La­ser der Agen­tur „Fak­tor C“ gra­viert Schreib­ge­rä­te nach Wunsch. Chris­toph Lau er­klärt: „Las­sen Sie sich über­ra­schen von ei­ner Viel­zahl an­spruchs­vol­ler Ge­schenk­ideen aus Holz und an­de­ren Na­tur­ma­te­ria­li­en. Un­se­re Kü­che sorgt für das leib­li­che Wohl.“

Wei­te­re In­for­ma­tio­nen zur Ca­ri­tas Werk­statt St. Jo­han­nes­berg in Ora­ni­en­burg gibt es un­ter: www.caritas-werkstatt.de.

Woh­nungs­su­che geht weiter

Woh­nungs­su­che geht weiter

Woh­nungs­su­che geht weiter

Von Ste­fan Blum­berg | Mär­ki­sche All­ge­mei­ne Zeitung 

Eh­ren­amt­li­che Hil­fe für Ora­ni­en­bur­ger Fa­mi­lie Böttcher

Ora­ni­en­burg. Der Fall der Fa­mi­lie Bött­cher aus Ora­ni­en­burg hat gro­ße Be­trof­fen­heit aus­ge­löst. Noch wich­ti­ger: De­ni­se Borg­mann schritt eh­ren­amt­lich zur Tat. Nach der Ver­öf­fent­li­chung des Ar­ti­kels “Ein Fa­mi­lie in Not” am ver­gan­ge­nen Frei­tag in der MAZ nahm sie so­fort Kon­takt zu der Fa­mi­lie auf, bot ihre Un­ter­stüt­zung bei der Su­che nach ei­ner Woh­nung an. “Am Sonn­abend und Sonn­tag war sie bei uns und hat sich in­for­miert. Wir über­tru­gen ihr eine Voll­macht, so­dass sie uns ver­tritt”, so Jörg Bött­cher. Er, sei­ne Frau Yvonne und der 15 Mo­na­te alte Sohn müs­sen Ende Mo­nats aus ih­rer jet­zi­gen Woh­nung – dem Fa­mi­li­en­haus in Ora­ni­en­burg – raus. Das Miet­ver­hält­nis in dem be­treu­ten Woh­nen wur­de in bei­der­sei­ti­gem Ein­ver­neh­men ge­kün­digt. Die be­ein­träch­tig­te Fa­mi­lie war dort un­ter­ge­bracht, weil sich ein ei­gen­stän­di­ges Le­ben für die drei als schwie­rig er­wies. Die Hil­fe von Chris­tia­ni e. V. wird tem­po­rär ge­währ­leis­tet. Die Bött­chers sa­hen den Zeit­punkt als ge­kom­men, wie­der auf ei­ge­nen Bei­nen zu ste­hen und teil­ten dies mit; des­halb die Be­en­di­gung des Miet­ver­hält­nis­ses. Das Pro­blem: Die Woh­nungs­su­che ge­stal­te­te sich nicht nur als schwie­rig, son­dern bis dato als er­folg­los. Am 30. No­vem­ber 2018 müs­sen sie ihre jet­zi­ge Woh­nung verlassen.

Man muss sich den Fall erst ein­mal an­gu­cken, um zu er­ken­nen, was wirk­lich läuft und wie man hel­fen kann”, sagt De­ni­se Borg­mann, die ge­mein­sam mit Mo­ni­que Schulz in sol­chen Fäl­len eh­ren­amt­lich auf den Plan tritt und Hil­fe an­bie­tet. Am Mon­tag be­kam die Woba Ora­ni­en­burg, die ein Woh­nungs­ge­such der Bött­chers auf­grund ne­ga­ti­ver Bo­ni­täts­aus­künf­te ab­ge­lehnt hat­te, nicht nur ei­nen Brief von ihr, son­dern auch noch Be­such. Sie hak­te nach, wes­halb das hil­fe­be­dürf­ti­ge Ehe­paar kei­ne Woh­nung bei der Ge­sell­schaft be­kom­me. “Für mich ist klar, dass die Woba der Fa­mi­lie kein neu­es An­ge­bot mehr ma­chen wird.” Sie glaubt, dass Feh­ler ge­macht wur­den. “Aber man hät­te mit­ein­an­der re­den können.”

Und jetzt? Die Zeit läuft. “Ich wer­de mit vie­len Ver­mie­tun­gen spre­chen. In Ora­ni­en­burg oder Um­ge­bung gibt es re­la­tiv we­ni­ge klei­ne, pri­va­te Ver­mie­ter“, sagt sie. Eine Al­ter­na­ti­ve wäre es, wo­an­ders nach ge­eig­ne­tem Wohn­raum zu schau­en. “Aber es wäre nicht gut, die Fa­mi­lie jetzt aus ih­rem so­zia­len Um­feld zu rei­ßen. Ich den­ke, dass es für alle Pro­ble­me Lö­sun­gen gibt. Auch für die­ses. Wo an­de­re auf­ge­ben, fan­ge ich erst an.”

Fa­mi­lie mit Klein­kind in Not

Fa­mi­lie mit Klein­kind in Not

Fa­mi­lie mit Klein­kind in Not

Von Ste­fan Blum­berg | Mär­ki­sche All­ge­mei­ne Zeitung 

Die Bött­chers müs­sen aus ih­rer Woh­nung raus – eine neue gibt es noch nicht

Ora­ni­en­burg. Yvonne und Jörg Bött­cher läuft die Zeit da­von. Noch 13 Tage, dann müs­sen sie ihre Woh­nung im Fa­mi­li­en­haus in Ora­ni­en­burg ver­las­sen. Das Pro­blem: Sie ha­ben kei­ne neue Woh­nung. Es könn­te ein fa­mi­liä­res De­sas­ter wer­den, zu­mal da auch noch ihr 15 Mo­na­te al­ter Sohn Paul Ja­den Maik ist. In den ver­gan­ge­nen Mo­na­ten hat sich das Ehe­paar 30 Woh­nun­gen an­ge­se­hen, er­hielt aber kei­ne. Die letz­te Ab­sa­ge kam am 1. No­vem­ber von der Woba Ora­ni­en­burg mit der Be­grün­dung, “dass wir auf­grund ne­ga­ti­ver Bo­ni­täts­aus­künf­te an Sie kei­ne Ver­mie­tung vor­neh­men wer­den”. Yvonne Bött­cher sagt, dass sie sich so­gar bei der Ob­dach­lo­sen­stel­le er­kun­digt hät­ten, ob die Fa­mi­lie dort auf­ge­nom­men wer­den kön­ne. “Das ist nicht ge­wünscht.” Of­fen­sicht­lich blei­ben für das Paar laut ei­ge­nen Aus­sa­gen zwei Mög­lich­kei­ten, wenn es bis zum Ende des Mo­nats nicht eine Woh­nung fin­det. Ers­tens: Yvonne und Paul Ja­den Maik kom­men in ei­ner Mut­ter-Kind-Ein­rich­tung un­ter, Jörg wird ob­dach­los. Zwei­tens: “Sie neh­men uns Paul weg”, sagt die Mut­ti mit Trä­nen in den Augen.

Für Chris­toph Lau, dem Lei­ter der Ca­ri­tas-Werk­statt St. Jo­han­nes­burg in Ora­ni­en­burg, ist das nicht der ers­te gleich­ge­la­ger­te Fall. Es sei ganz nor­mal, dass Be­schäf­tig­te der Ca­ri­tas – es sind Mit­ar­bei­ter mit Be­ein­träch­ti­gun­gen – ir­gend­wann ver­su­chen, bei den El­tern oder dem be­treu­ten Woh­nen aus­zu­zie­hen, um auf ei­ge­nen Fü­ßen zu ste­hen. So, wie die Bött­chers. Sie si­gna­li­sier­ten Chris­tia­ni e. V., dem Trä­ger des Fa­mi­li­en­hau­ses, im April, dass sie ihr Fa­mi­li­en­le­ben selbst ge­stal­ten wol­len. In ei­ner ei­ge­nen Woh­nung. Die Kün­di­gung wur­de zum 30. No­vem­ber aus­ge­spro­chen. “Aber es fehlt an be­zahl­ba­rem Wohn­raum in Ora­ni­en­burg und Um­ge­bung, also in un­se­rem Ein­zugs­ge­biet”, so Chris­toph Lau. Pro­ble­ma­tisch für ihn: “Die Be­schäf­tig­ten su­chen sich au­ßer­halb un­se­res Ein­zugs­ge­bie­tes eine Woh­nung, müs­sen ihr so­zia­les Um­feld und den Ar­beits­platz bei uns auf­ge­ben.“ Er spricht von ei­ner Hand­voll Fäl­le in den ver­gan­ge­nen Jah­ren bei der Caritas.

Das Ehe­paar Bött­cher sei seit ein paar Wo­chen sehr gut bei der Ca­ri­tas in­te­griert. Die 40-jäh­ri­ge Yvonne ar­bei­tet am Hei­de­ring in der Pro­duk­ti­on, in der Ab­tei­lung für Mit­ar­bei­ter mit psy­chi­schen Be­ein­träch­ti­gun­gen. Arm­bän­der oder Ge­burts­tags­kar­ten stel­len sie dort her. Der 50-jäh­ri­ge Jörg ge­hört als Bei­koch zum Kü­chen­team, das täg­lich 700 Por­tio­nen kocht. “Ich be­kom­me im­mer mehr Ver­ant­wor­tung”, sagt er stolz. Kü­chen­lei­te­rin An­drea Bloch: “Er ist eine Be­rei­che­rung, bringt viel mit, zeigt den an­de­ren was. Für uns wäre es ein Ver­lust, wenn er nicht mehr kom­me würde.”

Chris­toph Lau ist ver­wun­dert über die Ab­sa­ge der Woba. “Die Mie­te wird vom Amt be­zahlt, kommt re­gel­mä­ßig.” Des­halb kön­ne er die feh­len­de Bo­ni­tät als Be­grün­dung nicht nach­voll­zie­hen. Bernd Jar­c­zew­ski, Ge­schäfts­füh­rer der Woba Ora­ni­en­burg: “Prin­zi­pi­ell ist es nicht so, dass po­ten­zi­el­le Mie­ter mit ei­nem Schufa-Ein­trag kei­ne Woh­nung be­kom­men. Aber man muss wis­sen, dass es kein Selbst­läu­fer ist, dass das Geld bei uns an­kommt, wenn es vom Amt be­zahlt wird.” Er spricht aus Er­fah­rung. Con­stan­ze Gatz­ke, Pres­se­spre­che­rin des Land­krei­ses, er­gänzt: “Das Job­cen­ter ist an­ge­hal­ten, das Ar­beits­lo­sen­geld II für Un­ter­kunft und Hei­zung di­rekt an den Ver­mie­ter zu über­wei­sen, wenn es zum Bei­spiel Miet- oder En­er­gie­kos­ten­rück­stän­de gibt.” Aber: In den an­de­ren Fäl­len kön­nen die Leis­tungs­emp­fän­ger selbst ent­schei­den, ob das Job­cen­ter oder sie die Über­wei­sung an den Ver­mie­ter vornehmen.

Wir sol­len als städ­ti­sche Ge­sell­schaft so­zi­al blei­ben. Das kön­nen wir, wenn wir Geld ein­neh­men. Wir ha­ben Ver­ant­wor­tung fürs öf­fent­li­che Ei­gen­tum.” Bernd Jar­c­zew­ski be­tont, dass die Woba auch Rand­grup­pen un­ter sei­nen Mie­tern hat. Aber er sieht den zu­sätz­li­chen Be­darf an Woh­nun­gen für Ziel­grup­pen wie Fa­mi­lie Bött­cher. “Da müss­te man po­li­tisch dran arbeiten.”

Chris­toph Lau hät­te zu­min­dest ei­nen Vor­schlag zu ma­chen: “War­um nicht zum Bei­spiel das Ka­ser­nen­ge­län­de in Lehnitz nut­zen? Da ist Platz.” Er hat bei der Ca­ri­tas schon ei­ni­ge Schick­sa­le die­ser Art mit­er­lebt. “Aber dass eine Fa­mi­lie so in Not ge­rät, hat­ten wir noch nicht.” Die Bött­chers, die in Ora­ni­en­burg ihr so­zia­les Um­feld ge­fun­den ha­ben, wis­sen nicht mehr ein und aus. Ihre größ­te Angst ist, dass ihre Fa­mi­lie zer­ris­sen wird.

In See gestochen

In See gestochen

In See gestochen

Von Til­man Trebs | Mär­ki­sche All­ge­mei­ne Zeitung 

Ca­ri­tas-Mit­ar­bei­ter auf Tour mit der Staatsyacht

Ora­ni­en­burg. Mit Mit­ar­bei­tern der Ora­ni­en­bur­ger Ca­ri­tas-Werk­statt für Be­hin­der­te ist die Nie­der­län­disch Staats­yacht “Sehn­sucht” am Diens­tag­vor­mit­tag in See ge­sto­chen. “Die Ca­ri­tas hat uns ge­fragt, ob wir mal ei­nen Aus­flug für die Mit­ar­bei­ter or­ga­ni­sie­ren kön­nen. Wir ha­ben na­tür­lich so­fort zu­ge­sagt”, sag­te Da­ni­lo Wis­zowa­ty vom Kur­bran­den­bur­gi­schen Ma­ri­n­ever­ein Ora­ni­en­burg, der das Schiff be­treibt. Der Ver­ein wird von der Stadt ge­för­dert. Mit dem his­to­ri­schen Schiff ging es über die Ha­vel zum Lehnitz­see und zurück. 

Auf bes­tem Weg auf ei­ge­nen Fü­ßen zu stehen

Auf bes­tem Weg auf ei­ge­nen Fü­ßen zu stehen

Auf bes­tem Weg auf ei­ge­nen Fü­ßen zu stehen

Von Hei­ke Bergt | Mär­ki­sche All­ge­mei­ne Zeitung 

Es war lnes Krü­gers größ­ter Wunsch. von kei­nem Amt mehr fi­nan­zi­ell ab­hän­gig zu sein – mit Aus­bil­dungs­start wird sie die Ca­ri­tas-Werk­statt verlassen

Ora­ni­en­burg. Ei­nen ei­ser­nen Wil­len, den kann man lnes Krü­ger wirk­lich nicht ab­spre­chen. Die 28 Jäh­ri­ge kämpft ihr gan­zes Le­ben lang. In ei­ner Wo­che be­ginnt ihre Aus­bil­dung zur Ver­kau­fen und da­mit geht all­mäh­lich ihr größ­ter Traum in Er­fül­lung: selbst­stän­dig le­ben zu kön­nen. Von kei­nem fi­nan­zi­ell ab­hän­gig zu sein. Ir­gend­wann mit ih­rem Freund eine ge­mein­sa­me Woh­nung be­zie­hen zu kön­nen. Es war ein lan­ger Weg.

Ines Krü­ger stammt aus der Lu­ther­stadt Wit­ten­berg. Auf­ge­wach­sen in Des­sau, be­such­te sie eine För­der­schu­le für Kin­der mit Kör­per- und Lern­be­hin­de­run­gen. An­schlie­ßend ar­bei­tet sie in ei­ner Werk­statt für Men­schen mit Be­hin­de­run­gen in Des­sau, un­ter an­de­rem in der Wä­sche­rei. Ihr Han­di­cap be­schreibt sie rund­weg so: “Ich kann ein­fach nicht gut­schrei­ben.” Und auch mit Ma­the ste­he sie auf Kriegs­fuß. Aber am meis­ten hat­te sie wohl mit Vor­ur­tei­len zu kämp­fen, bei ihr reicht das Po­ten­zi­al nicht, das habe sie im­mer wie­der zu hö­ren be­kom­men. Kei­ner trau­te ihr et­was zu. “Vor fünf Jah­ren fand ich, es muss sich was in mei­nem Le­ben än­dern.” Ge­sagt, ge­tan. Sie be­warb sich beim DRK, ei­ner Werk­statt in Pots­dam und bei der Ca­ri­tas Werk­statt in Ora­ni­en­burg. “Die ers­ten, die sich mel­den, da gehe ich hin.” Nahm sie sich vor. Es wa­ren die Oranienburger.

Sie hat eine rich­tig tol­le Be­wer­bungs­map­pe ge­schickt”, er­in­nert sich die lei­ten­de So­zi­al­ar­bei­te­rin Ve­ro­ni­ka Pri­wit­zer, die zu­sam­men mit Job-Coach Alex­an­der Pläp bei der Ca­ri­tas-Werk­statt St. Jo­han­nes­berg ar­bei­tet. Alex­an­der Pläp ver­sucht, für Men­schen mit Be­hin­de­rung ei­nen so ge­nann­ten “aus­ge­la­ger­ten Ar­beits­platz” auf dem ers­ten Ar­beits­markt zu fin­den. Das sei gar nicht so ein­fach. Bis­her hat die Ca­ri­tas Un­ter­neh­men ge­fun­den für zwölf aus­ge­la­ger­te Ar­beits­plät­ze. So bei der Bus-Werk­statt der OVG, im Tier­park Ger­men­dorf, bei ei­ner Elek­tro­fir­ma, beim Se­nio­ren­woh­nen in Vel­ten, bei der HSE Stah­len­gi­nee­ring, bei der Eden Ge­nos­sen­schaft, in der Kita “Leucht­turm” des CJO, bei Ta­ke­da und bei Edeka.

Je­der soll­te die Chan­ce be­kom­men, sich auf dem ers­ten Ar­beits­markt aus­zu­pro­bie­ren”, ist Alex­an­der Pläp über­zeugt. Manch­mal gebe es Vor­be­hal­te und der Ver­mitt­lungs­auf­wand sei hoch. Und ein wich­ti­ger Bau­stein ist die enge Be­glei­tung durch den Job­coach wäh­rend der Prak­ti­ka und bei den aus­ge­la­ger­ten Ar­beits­plät­zen. Eine ehe­ma­li­ge Be­schäf­tig­te konn­te 2017 als Zim­mer­mäd­chen in eine Fest­an­stel­lung in ein Ber­li­ner Ho­tel ver­mit­telt wer­den. “Wenn es ge­lingt, Men­schen mit psy­chi­scher Er­kran­kung, geis­ti­ger Be­hin­de­rung oder ei­ner Lern­be­hin­de­rung in eine Aus­bil­dung oder Fest­an­stel­lung auf den ers­ten Ar­beits­markt zu ver­mit­teln, dann ist das für uns im­mer ein gro­ßer Er­folg. Die Wege kön­nen lang und be­schwer­lich sein. Eine ge­lun­ge­ne In­te­gra­ti­on auf den ers­ten Ar­beits­markt ist im­mer das höchs­te Ziel un­se­rer Ar­beit und wer es tat­säch­lich schafft, ist un­end­lich stolz. So wer­den wir un­se­rem Auf­trag als Werk­statt ge­recht”, so Ve­ro­ni­ka Priwitzer.

Im Sep­tem­ber 2014 be­gann Ines Krü­ger bei der Ca­ri­tas in Ora­ni­en­burg, ar­bei­te­te dort in der Kü­che und im Holz­be­reich. “Aber ich woll­te ein­fach nicht mehr vom So­zi­al­amt le­ben. Ich war im­mer ehr­gei­zig, woll­te raus, selbst Geld ver­die­nen und auf ei­ge­nen Fü­ßen ste­hen”, so die 28-Jäh­ri­ge, die in Ora­ni­en­burg zu Hau­se ist. Sie habe viel Un­ter­stüt­zung von ih­rer Fa­mi­lie, der Mut­ter, dem Bru­der, ih­rem Freund. “Ich habe jetzt das Ein­mal­eins schon wie­der drauf”, sagt sie vol­ler Stolz.

Seit Juni letz­ten Jah­res ar­bei­tet sie im Ede­ka-Markt von Mad­leen Tur­ban an der Sach­sen­hau­se­ner Stra­ße. Hier räumt sie Wa­ren ins Re­gal und sitzt sie an der Kas­se. Am An­fang hät­ten die Kun­den schon et­was mit den Au­gen ge­rollt, “weil es bei mir so lang­sam ging. In­zwi­schen sa­gen sie: Frau Krü­ger, Sie sind jetzt so schnell. Üb­ri­gens: Num­mer 7237 sind die To­ma­ten und 7490 die Gur­ken”, sagt sie und lacht. Das hät­ten nicht alle im Kopf. Che­fin Mad­leen Tur­ban fin­det die Idee der “aus­ge­la­ger­ten Ar­beits­plät­ze” sehr gut. Sie hat ei­nen zwei­ten in ih­rem Markt an der Ber­li­ner Stra­ße. Es wür­den ja bei­de Sei­ten profitieren.

Am 1.September heißt es für lnes Krü­ger Ab­schied neh­men. Die Theo­rie für die Aus­bil­dung als “Fach­prak­ti­ke­rin im Ein­zel­han­del” mit lHK-Ab­schluss er­fährt sie im Be­rufs­bil­dungs­werk Ober­lin­haus Pots­dam, die prak­ti­sche Ar­beit in ei­nem Su­per­markt. Ein we­nig trau­rig ist sie schon, aber der Wunsch, eine Aus­bil­dung zu ma­chen und da­mit auch ih­ren Haupt­schul­ab­schluss zu pa­cken, ist stärker.

Wo sie sich in zehn Jah­ren sieht? “Ei­gent­lich woll­te ich ja im­mer Schu­he ver­kau­fen. Viel­leicht ma­che ich das dann ja. Jetzt bin ich erst­mal stolz, so weit ge­kom­men zu sein. Ich weiß, dass mir die Theo­rie in der Aus­bil­dung schwer­fal­len wird”, sagt sie. Aber sie will kämp­fen. Wie immer.

Der Job­coach der Caritas-Werkstätten

Der Job­coach der Caritas-Werkstätten

Der Job­coach der Caritas-Werkstätten

Von Hei­ke Bergt | Mär­ki­sche All­ge­mei­ne Zeitung

Alex­an­der Pläp ver­mit­telt Ge­han­di­cap­te in Un­ter­neh­men und sucht wei­te­re Partnerfirmen

Ora­ni­en­burg. Ka­tha­ri­na Fo­cking fal­tet Map­pen zu­sam­men. Akri­bisch und mit ei­nem Lä­cheln im Ge­sicht. Ein Lehnit­zer Un­ter­neh­men wird dar­in spä­ter Wer­be­un­ter­la­gen an sei­ne Kund­schaft ver­schi­cken. Hun­der­te ge­hen je­den Tag durch die Hän­de der 34-Jäh­ri­gen. Die Ar­beit in der Ca­ri­tas-Werk­statt Am Hei­de­ring macht ihr sicht­bar Freu­de. Sie hat sich in den letz­ten Jah­ren durch die­se Tä­tig­kei­ten sta­bi­li­siert und möch­te sich wie­der auf dem ers­ten Ar­beits­markt aus­pro­bie­ren. Die ge­lern­te Haus­wirt­schafts­hel­fe­rin stammt aus Schwan­te, hat meh­re­re Jah­re in der Al­ten­hil­fe in Ba­den-Ba­den ge­ar­bei­tet und in die­ses be­ruf­li­che Me­tier möch­te sie gern wie­der ein­stei­gen-und des­halb ein Prak­ti­kum ab­sol­vie­ren. In ei­ni­gen Ta­gen könn­te es in ei­nem Vel­te­ner Pfle­ge­heim losgehen.

Dort­hin ver­mit­telt sie Alex­an­der Pläp. Der stu­dier­te Päd­ago­ge aus NRW ist seit an­dert­halb Jah­ren Job­coach für die Ca­ri­tas-Werk­statt an ih­ren Stand­or­ten: Ber­li­ner Stra­ße, Am Hei­de­ring und Am Ader­luch. Ins­ge­samt 400 Frau­en und Män­ner mit Be­hin­de­run­gen, geis­ti­gen, psy­chi­schen und kör­per­li­chen, ar­bei­ten dort. Oft über Jah­re. Von För­der­schu­len, Ar­beits­agen­tur, Kli­ni­ken oder ge­setz­li­chen Be­treu­ern wer­den sie dort­hin ver­mit­telt und ar­bei­ten un­ter an­de­rem für Un­te­meh­men wie Ora­fol oder Takeda.

Doch un­se­re Werk­stät­ten sind Zwi­schen- und kei­ne End­sta­ti­on”, so Fach­dienst­lei­te­rin Ve­ro­ni­ka Pri­wit­zer. Wer möch­te, wird auf den ers­ten Ar­beits­markt ver­mit­telt. Die Chan­cen ste­hen der­zeit bes­ser denn je, denn vie­le Stel­len kön­nen nicht be­setzt wer­den. “Vie­le Be­trie­be öff­nen sich. Wir spü­ren das deut­lich.” Wenn nach Ge­sprä­chen klar ist, wel­chen Job sich die Frau­en und Män­ner vor­stel­len kön­nen, macht sich Alex­an­der Pläp auf die Su­che. Spricht Un­ter­neh­men und Un­ter­neh­mer an, ob sie ein Prak­ti­kum er­mög­li­chen kön­nen oder ei­nen “Aus­ge­la­ger­ten Ar­beits­platz”. Seit 2010 ha­ben 79 Be­schäf­tig­te der Werk­statt ein Prak­ti­kum ab­sol­viert, in­zwi­schen sind acht so ge­nann­te “Aus­ge­la­ger­te Ar­beits­plät­ze” ent­stan­den. Men­schen mit Be­ein­träch­ti­gun­gen pfle­gen zum Bei­spiel Grünan­lan­gen bei Ta­ke­da, ver­rich­ten Haus­meis­ter­ar­bei­ten für die Eden Ge­nos­sen­schaft, fer­ti­gen Kar­to­na­gen für die Ri­chard Klö­de Kar­to­na­gen­fa­brik, ar­bei­ten als Kü­chen­hil­fe in der Kita “Leucht­turm”, aber auch im Ein­zel­han­del bei Ede­ka in Ora­ni­en­burg. Eine jun­ge Ora­ni­en­bur­ge­rin wur­de nach ei­nem Prak­ti­kum im Ber­li­ner Ho­tel “Grenz­fall”, ei­nem In­te­gra­ti­ons­be­trieb, ein­ge­stellt, wo sie im Zim­mer­ser­vice tä­tig ist. Alex­an­der Pläp be­rei­tet die Be­schäf­tig­ten auf die Prak­ti­ka und die Ar­beit vor, ist re­gel­mä­ßig vor Ort und im Ge­spräch mit al­len Be­tei­lig­ten. Der Vor­teil: Sie ha­ben wei­ter­hin die An­bin­dung an die Werk­statt, dem ge­schütz­ten Um­feld. Kön­nen je­der­zeit zu­rück. “Auch die Fir­men pro­fi­tie­ren, denn wir ha­ben un­se­re Be­schäf­tig­ten auf die Ar­beit vor­be­rei­tet, sie sind sta­bil und zu­ver­läs­sig”, so Ve­ro­ni­ka Pri­wit­zer. Nicht zu­letzt kön­nen Fir­men die Be­zah­lung ei­nes Aus­ge­la­ger­ten Ar­beits­plat­zes auf die Aus­gleichs­ab­ga­be an­rech­nen las­sen. Ein Glücks­fall, so Alex­an­der Pläp, ist auch der ei­ner jun­gen Frau, die seit acht Mo­na­ten in der Krip­pe der Kita “Wald­wich­tel” in Borgs­dorf als Hel­fe­tin tä­tig ist. Trotz sprach­li­cher Be­ein­träch­ti­gung ist sie bei den Kin­dern sehr be­liebt und nicht mehr wegzudenken.

Werk­statt un­ter Druck

Werk­statt un­ter Druck

Werk­statt un­ter Druck

Von Klaus D. Gro­te | Ora­ni­en­bur­ger Generalanzeiger 

Post­wurf­sen­dung der Lehnit­zer Fir­ma Ter­ra­test for­dert alle Caritas-Beschäftigten

Ora­ni­en­burg. In der Ca­ri­tas-Werk­statt am Ader­luch herrscht ge­ra­de Aus­nah­me­zu­stand: Fast alle Ab­tei­lun­gen sind da­mit be­schäf­tigt, eine Post­wurf­sen­dung aus Lehnitz zu sor­tie­ren, zu fal­ten, in Um­schlä­ge zu ste­cken und ver­sand­fer­tig zu ma­chen. Gel­be Post­kis­ten sta­peln sich im La­ger. 54 982 gro­ße Um­schlä­ge müs­sen bis Mit­te nächs­ter Wo­che fer­tig sein und ver­sen­det wer­den. In den Brie­fen be­fin­det sich Wer­bung der Lehnit­zer Fir­ma Ter­ra­test. Das Un­ter­neh­men ver­treibt Ge­rä­te zur ein­fa­chen Mes­sung der Bo­den­dich­te. Der er­mit­tel­te Wert ist wich­tig für Stra­ßen­bau­ar­bei­ten oder das Ver­le­gen von Geh­weg­plat­ten. Die Ge­rä­te kön­nen gro­ße Mess­fahrt­zeu­ge er­set­zen und sind auch an schwer zu­gäng­li­chen Ecken nutzbar.

Mach es dir selbst! Ver­dich­tung ein­fach sel­ber tes­ten“, lau­tet da­her das An­ge­bot zur Os­ter­ak­ti­on von Ter­ra­test. Be­wor­ben wird der „Ter­ra­test 4000 Stream“ von ei­ner knapp be­klei­de­ten Frau in Hot­pants, die das Mess­ge­rät mit Leich­tig­keit be­dient. Meh­re­re Sei­ten Wer­bung und In­for­ma­tio­nen wer­den an Tief­bau­un­ter­neh­men und Gar­ten- und Land­schafts­bau­fir­men in ganz Deutsch­land ver­sen­det. „Ein tol­ler Auf­trag für uns“, sagt Werk­statt­lei­ter Mar­cel Teich­m­an­ri. Die Auf­ga­ben sei­en Ide­al für die Be­schäf­tig­ten. Auch im Be­reich B.Plus, in dem Men­schen mit be­son­de­rer För­de­rung ar­bei­ten, kön­nen die un­ter­schied­li­chen Auf­ga­ben des Auf­trags gut ver­teilt wer­den. „Die Be­schäf­tig­ten freu­en sich über die Ab­wechs­lung. Das ist eine ganz tol­le Auf­ga­be mit vie­len ver­schie­de­nen Ar­beits­schrit­ten“, sagt So­zi­al­ar­bei­te­rin An­ge­li­ka Geißler.

Die auf­wen­di­gen Falt- und Steck­ar­bei­ten könn­ten von kei­ner Ma­schi­ne be­wäl­tigt wer­den. Die Ca­ri­tas-Werk­statt wür­de sich da­her über wei­te­re sol­cher Auf­trä­ge freu­en. Ter­ra­test ver­gibt zwei­mal jähr­lich Mai­ling­auf­trä­ge. An­de­re Ar­bei­ten in der Werk­statt am Ader­luch wer­den bis zur Er­le­di­gung der Post zu­rück­ge­stellt. Wich­tigs­ter Auf­trag­ge­ber ist der Ber­li­ner Schul­be­darf- und Bü­ro­ar­ti­kel­her­stel­ler Her­litz. Au­ßer­dem wer­den Bol­zen für Mö­bel her­ge­stellt. Der Be­reich Fak­tor C be­fin­det sich un­term sel­ben Dach. Fo­li­en von Ora­fol wer­den für Wer­bung zu­recht ge­schnit­ten, die zum Bei­spiel auf Schil­dern und Au­tos kle­ben. So wer­den die Fahr­zeu­ge der Ber­li­ner Ord­nungs­äm­ter mit re­flek­tie­ren­den Buch­sta­ben versehen.

Wir ha­ben auf je­den Fall noch Ka­pa­zi­tä­ten und freu­en uns über neue Auf­trä­ge“, sagt Mar­cel Teich­mann. Die Ca­ri­tas Werk­stät­ten sei­en mit Ora­fol ge­wach­sen. Über­haupt kom­men die meis­ten Auf­trä­ge aus der Re­gi­on. Die Gar­ten- und Land­schafts­bau­er sind mit den Au­ßen­an­la­gen des Ta­ke­da-An­baus be­schäf­tigt, die Ca­ri­tas-Kü­che lie­fert un­ter an­de­rem Es­sen für den Pfle­ge­dienst Gehr­mann, die Kita Leucht­turm und für die ei­ge­ne Be­leg­schaft. Am Ader­luch wer­den in ei­nem Hy­gie­ne­be­reich au­ßer­dem Glas­röhr­chen für Blut­pro­ben im Auf­trag von Ther­mo Fi­sher sor­tiert und ge­prüft. Ur­sprüng­lich war die Werk­statt im frü­he­ren Aldi-Markt für die Tei­le­pro­duk­ti­on für ei­nen Au­to­zu­lie­fe­rer be­stimmt. Doch der Auf­trag ging ver­lo­ren. Die Werk­statt mit 67 Be­schäf­tig­ten hat Platz für neue Auf­trä­ge. „Das ist ein schö­ner klei­ner Stand­ort“, sagt Mar­cel Teich­mann. Ver­gan­ge­ne Wo­che konn­te er mit Mar­ti­na Glau­ke die sieb­te Grup­pen­lei­te­rin im Team begrüßen.

Lohn

  • Hun­der­te Men­schen mit Be­hin­de­rung ar­bei­ten in den Werk­stät­ten von Ca­ri­tas (350 Plät­ze) und Le­bens­hil­fe (Nord­bahn, 400 Plät­ze). Da­für be­kom­men sie zu­sätz­lich zur Grund­si­che­rung meist 150 bis 200 Euro. Der Pa­ri­tä­ti­sche Wohl­fahrts­ver­band hat zu­letzt mehr Lohn ver­langt. Die Be­schäf­tig­ten müss­ten von ih­rem Ver­dienst le­ben können.
  • Ein Werk­statt­platz kos­tet bis zu 3000 Euro mo­nat­lich – fi­nan­ziert durch Ren­ten­ver­si­che­rung, Kran­ken­kas­sen und Land­kreis. Bei ei­ner Ent­loh­nung der Be­schäf­tig­ten wird de­ren Grund­si­che­rung ent­spre­chend gekürzt.
  • Chris­toph Lau, Ge­schäfts­füh­rer der Ora­ni­en­bur­ger Ca­ri­tas-Werk­stät­ten, sagt dazu: „Der ge­setz­li­che Auf­trag von Werk­stät­ten ist die be­ruf­li­che Teil­ha­be von Men­schen mit Be­hin­de­rung. „Die Werk­stät­ten dien­ten nicht der ge­werb­li­che Be­tä­ti­gung, son­dern den Be­schäf­tig­ten mit ih­ren An­sprü­chen auf be­ruf­li­che För­de­rung. Über eine Auf­nah­me ent­schei­den nicht die Werk­stät­ten selbst. Es gibt ei­nen An­spruch auf Auf­nah­me. Die Ei­gen­lo­gik von Werk­stät­ten kön­ne schon aus die­sem Grund kei­ne be­triebs­wirt­schaft­li­che sein, die den Prin­zi­pi­en von Ef­fi­zi­enz­stei­ge­rung und Ar­beits­kraft­ver­wer­tung ver­pflich­tet ist. „Werk­stät­ten re­du­zie­ren nicht ihre ‚Be­leg­schaft‘, weil es die Auf­trags­la­ge na­he­legt“, so Lau.
  • Des­halb wird eine Werk­statt­be­schäf­ti­gung nie un­ab­hän­gig von wei­ter­ge­hen­den So­zi­al­leis­tun­gen zu se­hen sein. Zählt man die­se hin­zu, sieht die Ein­kom­mens­si­tua­ti­on von Werk­statt­be­schäf­tig­ten an­ders aus. Werk­stät­ten sind nur als So­zi­al­leis­tung zu ver­ste­hen, als Er­gän­zung zum Ar­beits­markt – nicht aber als Teil des Ar­beits­mark­tes“, sagt Lau. Leis­tungs­an­sprü­che soll­ten ge­bün­delt wer­den. Er hal­te es für ein Är­ger­nis, dass Werk­statt­be­schäf­tig­te zum So­zi­al­amt ge­hen müss­ten, um ihre An­sprü­che gel­tend zu ma­chen. „Es soll­te or­ga­ni­sier­bar sein, dass über die Be­schäf­ti­gung, die oh­ne­hin be­reits die ge­sam­te So­zi­al­ver­si­che­rung um­fas­se, auch alle wei­ter­ge­hen­den An­sprü­che ab­ge­gol­ten wer­den-dann wür­de aus So­zi­al­leis­tun­gen ein ‚Ver­dienst‘ wer­den“, so Lau.
  • Uta Ger­ber, Ge­schäfts­füh­re­rin der Le­bens­hil­fe Ober­ha­vel-Süd, sieht das ähn­lich. Sie macht aber auch klar, dass im Sin­ne der In­klu­si­on alle Men­schen mit Be­hin­de­rung in den Ers­ten Ar­beits­markt in­te­griert wer­den müss­ten. „Das wäre die Ide­al­lö­sung.“ Letzt­lich wür­den sich Fir­men mit ih­ren Auf­trä­gen an die Werk­stät­ten von die­ser Ver­pflich­tung be­frei­en. (kd)